Zeitschrift Nr. 123, Dezember 2012
In der Nummer 123 unserer Zeitschrift finden sich u.a. folgende Themen: |
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Vorwort
Liebe Leserinnen und Leser,
die eindrucksvollen Erlebnisse unserer Romfahrt zur Erhebung der Hl. Hildegard von Bingen zur Kirchenlehrerin am 7.Oktober 2012 liegen hinter uns. Viele Hildegardbegeisterte feierten auf dem Petersplatz mit. Wohl kaum jemand hatte Jahre zuvor gehofft, diesen Augenblick erleben zu dürfen. Nun ist alles so schnell gekommen, und wir haben innerhalb eines Jahres nicht nur ihre offizielle Heiligkeit in der Weltkirche erleben dürfen, sondern auch noch die seltene Auszeichnung Doctor Ecclesiae, Kirchenlehrerin. Ihre theologischen Verdienste sind damit anerkannt.
Kardinal Lehmann sagte in seiner Ansprache am Vorabend der Erhebung in der deutschen Botschaft in Rom: „Der größte Dank gehört Papst Benedikt XVI. für seinen Mut, die Hl. Hildegard von Bingen zur Kirchenlehrerin zu erheben.“ Ganz sicher hat Papst Benedikt XVI. damit auch einen wichtigen Impuls zur intensiveren Auseinandersetzung mit den Werken der Heiligen gegeben, „um ihre Bedeutung auch in unsere Gegenwart zu übersetzen. Dies ist, so bin ich der Meinung, der schwierigere Anteil des Auftrages, den uns das Fest anvertraut;“ führte der Kardinal weiter aus.
Das betrifft nicht nur Theologen und Wissenschaftler, sondern alle, die sich mit ihrer Theologie, Mystik, Musik und christlichen Heilkunde beschäftigen. Mir scheint es hierbei eine Parallele zu geben. Hildegard ist seit über 850 Jahren als Heilige verehrt worden. Die offizielle Anerkennung ihrer Theologie ist nun erfolgt. Ob es mit ihrer Heilkunde, welche auch heute noch z.T. in Frage gestellt wird, nicht genau so sein könnte? Hildegard sieht sie immer im Zusammenhang von Gott, Schöpfung und Mensch. An zwei Stellen ihrer theologischen Werke betont sie ausdrücklich den visionären Ursprung ihrer heilkundlichen Aussagen:
1) In der Einleitung zu dem Buch der Lebensverdienste LVM (übersetzt von Prof. Dr. Schipperges) schreibt sie: „Es war das erste Jahr, nachdem dieses Gesicht mir folgende Schriften zu erklären gegeben hatte: „Die Feinheiten der verschiedenen Naturen der Geschöpfe“, ferner Antworten und Ermahnungen an zahlreiche Personen …, alsdann die „Sinphonie der Harmonie himmlischer Offenbarungen“ und…“(S. 27) und auch
2) in der der achten Schau des Buches der göttlichen Werke LDO (übersetzt von M. Heieck): „Die Liebe…Sie selbst betrachtet auch Ihr Werk, das sie …ordnete, indem sie auch durch die eben erwähnte ungebildete Frau [Hildegard] gewisse natürliche Kräfte verschiedener Dinge – virtutes naturales diversorum rerum- und die Schriften über die Verdienste des Lebens– scriptura vitae meritorum- und ebenso andere tiefe Geheimnisse eröffnete, die diese Frau in wahrer Vision schaute …“ (S. 375)
3) Zudem steht wörtlich auf S. 68 in der Vita, die von den Mönchen Gottfried und Theoderich verfasst wurde: „Auch offenbarte sie in prophetischem Geist einiges über die Natur des Menschen, der Elemente und der verschiedenen Geschöpfe, und wie durch sie dem Menschen zu helfen sei und viele andere Geheimnisse.“
Unbestritten ist dabei, dass Hildegard in der Tradition der benediktinischen Klosterheilkunde stand, ihre Aussagen gehen jedoch deutlich darüber hinaus (s.u.). Das Wissen der Erfahrungsheilkunde wurde und wird vornehmlich in Laienkreisen geachtet und erfolgreich angewendet. Gott sei Dank gibt es jedoch schon verschiedene anerkannte wissenschaftliche Untersuchungen zur Wirksamkeit naturheilkundlicher Verfahren wie Aderlass, Schröpfen und auch pflanzlicher Wirkstoffe. ….
Nachdem es so viele gute Erfahrungen über Jahrzehnte mit ihren Heilanwendungen gibt, hoffen wir auch hier um eine offizielle Anerkennung.
Mit dem Wunsch, dass Hildegards Heils- und Heilkunde immer mehr Menschen Hilfe, Orientierung und Zuversicht bringen möge und mit allen guten Segenswünschen zum Advent, zu Weihnachten und für das Jahr 2013 grüße ich Sie und Euch herzlich
Ihr / Eurer
Michael Ptok
Präsident der Internationalen Gesellschaft Hildegard von Bingen, CH Engelberg
Karl Kardinal Lehmann, Bischof von Mainz
– Ein unbequemes, tiefes und heiliges Charisma
Vortrag auf Einladung des Botschafters der Bundesrepublik Deutschland beim Hl. Stuhl am Vorabend der feierlichen Erhebung der hl. Hildegard zur Kirchenlehrerin am 6. Oktober 2012 in Rom
http://www.bistummainz.de/bistum/bistum/kardinal/index.html?f_action=show&f_newsitem_id=32142
Die Kirche als Ort gelebter Spiritualität in der Schau der hl. Hildegard
Sr. Hiltrud Gutjahr OSB, Benediktinerin in der Abtei St. Hildegard Rüdesheim /Eibingen
2. Teil, Fortsetzung aus Heft 122, September 2012
In der folgenden 4. Vision schaute Hildegard die Frauengestalt Kirche vor einem großen runden Turm stehen, der aus einem einzigen weißen Stein bestand und oben drei Fenster hatte. So konnte die Kirche nicht umfallen (WW S. 137 ) Der Turm bezeichnet das Feuer der Gaben des Heiligen Geistes, das der Vater dem Sohn zuliebe auf die Erde gesandt hat. Die Kirche, gefestigt und gestärkt im Heiligen Geist, kann von keinem Wüten des Teufels besiegt werden. Aus den drei Fenstern des Turmes erstrahlt der unaussprechliche Glanz der Heiligen Dreifaltigkeit, denn der dreifaltige Gott tut sich in der Ausgießung der Gaben des Heiligen Geistes kund. Sowie die Apostel im Heiligen Geist gestählt, die Wahrheit Gottes in Jesus Christus verkündeten, sollen die Getauften im Heiligen Geist gesalbt werden, „durch die Salbung des erhabenen Lehrers ( des Bischofs )gefirmt werden, wie auch die Kirche auf festem Fels gegründet ist“. (WW S. 140 ) Die Kirche spendet im Sakrament der Firmung den Heiligen Geist. Nicht nur in der hl. Taufe sondern auch in der Firmung wird der Gläubige gestärkt und unterstützt in seiner Sehnsucht nach Gott, in seiner spirituellen Beziehung .
Durch den Leib der Frauengestalt sah die Seherin Kinder Gottes hindurchziehen, die in großer Herrlichkeit aufleuchteten, Menschen mit hellen Augen und starken Füßen. Andere hatten kranke Augen und schwache Füße, sie gingen mit einem Stock. Die Kirche als Raum der Sehnsucht und Beziehung und Offenbarung Gottes ruft den Menschen wie eine Posaune zu : Mensch, lass dich reinigen in der Wiedergeburt zum Heile und salben mit der Salbung der Heiligkeit, fliehe den Tod, folge dem Leben! Fürchte den Vater, liebe den Sohn und glühe im Heiligen Geist!“ ( WW S. 144 )
Dieser Ruf wird der Kirche von mir, dem Vater durch den Sohn im Heiligen Geist eingegeben.
Die Gläubigen sollen das volle heile Leben in Gott finden, deshalb nährt der Sohn Gottes die Menschen mit sich selbst im Brot des Lebens.
Hildegard wurde in der Vision vom Ursprung der Kirche gezeigt, wie Gott selbst die Gläubigen mit sich in den Gestalten von Brot und Wein beschenkt.
„Als Jesus Christus, der wahre Sohn Gottes, an seinem Marterholz hing, wurde die Kirche in der Verborgenheit der himmlischen Geheimnisse mit ihm verbunden und mit seinem purpurnen Blut als Brautgabe beschenkt. Darauf deutet sie selbst hin, wenn sie häufig an den Altar tritt, ihre Brautgabe einfordert und sehr sorgfältig beobachtet, mit wie tiefer Ehrfurcht ihre Söhne zu den göttlichen Geheimnissen hinzutreten und sie empfangen.“ (WW S. 200 )
Hildegard sah die Kirche als goldene (in Licht getauchte )Frauengestalt öfter zum Altar hinzutreten, mit Ehrfurcht auf ihre Brautgabe blicken und sie demütig dem himmlischen Vater zeigen. Das geschieht jedes Mal, wenn der Priester mit heiligen Gewändern angetan, zum Altar tritt, um die hl. Geheimnisse, um Eucharistie, zu feiern. Hildegard schaute „wie plötzlich ein sehr heller Lichtglanz unter dem Geleit von Engeln aus dem Himmel kam und den Altar ganz umstrahlte. Er blieb solange auf ihm, bis nach Vollendung des Messopfers der Priester den Altar verließ. ………….Nachdem der Priester den Lobpreis des allmächtigen Gottes, d.h. sanctus, sanctus, sanctus Dominus Deus Sabaoth, sang, senkte sich plötzlich aus dem offenen Himmel ein feuriges Leuchten von unvorstellbarer Helligkeit auf diese Opfergaben herab, und übergoss sie ganz mit seinem Schein. Und während er sie so durchstrahlte, hob er sie unsichtbar zu den Geheimnissen des Himmels empor und senkte sie wieder auf den Altar zurück, wie ein Mensch die Atemluft einzieht und wieder ausatmet. So waren sie wahres Fleisch und wahres Blut geworden, obwohl sie in den Augen der Menschen als Brot und Wein erschienen.“ (WW S. 199 )….
Dann hörte Hildegard aus dem verschlossenen Himmel die Aufforderung: „Esst und trinkt den Leib und das Blut meines Sohnes zur Tilgung der Sünde Evas, damit ihr in euer rechtmäßiges Erbe eingesetzt werdet.“ ( WW S. 199 ) „Esst im Glauben, die ihr durch die Taufe meine Freunde geworden seid. (WW S. 213 ) Esst meinen Leib, denn ihr müsst meine Werke im Geist und in eurem Fleisch nachahmen. Der Heilige Geist gibt sie euren Herzen ein.
Wer das Fleisch meines Sohnes würdig empfängt, wird an Seele und Leib mit himmlischem Licht überflutet und im Glauben von den Makeln seiner inneren Unlauterkeit gereinigt. (WW S. 217 )
In der Vision des Opfers Christi mit der Kirche als Braut Christi und der Feier der Eucharistie mit der Kirche als Priesterin, die ihre Hochzeitsgabe empfängt und an die Gläubigen austeilt, leuchtet die Kirche als Ort gelebter Spiritualität in der dichtesten Form auf. Die goldene Gestalt der Ekklesia, der Kirche, in der Rupertsberger Miniatur verbindet die Passion Christi mit der als Hochzeitsfest gesehenen Eucharistie. Sie empfängt das Blut Christi in ihrem Kelch und erhebt ihre Augen und Hände in einer priesterlichen Geste zum Himmel, indem sie die Eucharistie darbietet, die ihre Mitgift und ihr Hochzeitsmahl ist.
Hier ist die Kirche in der Eucharistiefeier der transparente Ort für die Gottesbegegnung und Gotteserfahrung der Menschen.
3. Die Kirche als Ort gelebter Spiritualität im Gebet und im Zeugnis
In der Geschichte zeigt sich die Kirche als geistiger Raum, als Leib Christi, in der Haltung des Gebetes, der Orante, die alle Stände der Kirche in sich trägt. Hildegard schaute die erwähnte Frauengestalt in einem durchsichtigen Glanz in der 5. Vision. In der Brust schimmerte sie wie Morgenröte. Dort leuchtete eine schöne Mädchengestalt mit einer gewaltigen Schar von Menschen auf, leuchtender als die Sonne, Maria mit den jungfräulichen Menschen, die Töchter Zions . Bei ihnen ist „alle Art von Musik und die Stimme des ganzen Frohlockens und die Freude der Freuden.“ (WW S. 151 ) Hier wird die gelebte Gottesbeziehung als tiefe Freude mit Maria und den Heiligen erfahren. Die Kirche lehrt uns, Beziehungen zur Muttergottes und zu den Heiligen zu pflegen als Hilfe für unsere Gottverbundenheit. Ist doch Beten eine Beziehungspflege.
In dieser Vision zeigt sich auch das Böse, das gegen die Kirche angeht. „Unterhalb des Glanzes, dort wo er wie die Morgenröte schimmerte, sah Hildegard zwischen Himmel und Erde dichteste Finsternis heraufziehen, die so grauenhaft war, dass es eine menschliche Zunge nicht auszudrücken vermag. Und sie hörte eine Stimme vom Himmel sagen: „Wenn der Sohn Gottes nicht am Kreuz gelitten hätte, würde jene Finsternis es keineswegs zulassen, dass der Mensch zur himmlischen Herrlichkeit gelangt.“ ( WW S. 151 )
Dieses Böse wird am Ende der Zeiten in die Kirche eindringen.
„Die Frauengestalt, die die Seherin am Altar, d.h. vor den Augen Gottes gesehen hatte, wird ihr wieder gezeigt, und zwar von der Mitte ihres Leibes abwärts. Verschiedene schuppenartige Flecken weisen dort auf den erbarmungswürdigen Zustand der Kirche hin; sie muss viele Laster wie Unzucht, Mord, Raub erdulden von denjenigen , die sie lieben sollten. An der Stelle des weiblichen Erkennens erschien ein abscheulicher pechschwarzer Kopf mit feurigen Augen und Eselsohren und mit Nüstern und einem Maul, wie ein Löwe sie hat. Er knirschte mit weit aufgerissenem Maul, als ob er seine entsetzlich eisernen Zähne schrecklich wetzte.“ ( WW S. 486 ) Es ist der Sohn des Verderbens, der Antichrist, der die Gläubigen und kirchlichen Institutionen zerfleischt und den Menschen durch schlimmste Leidenschaften und Widersprüche dazu bringt, Gott zu leugnen. Die Kirche wird in ihren Kindern das Weiß des wahren Glaubens bewahren, sie wird ein Ort des Zeugnisses für den dreifaltigen Gott sein unter großen Drangsalen und Leiden. Wenn der Sohn des Verderbens in seiner widersetzlichen Lehre trügerisch bestärkt, Selbstvertrauen und Kraft gewonnen hat, wird auch die Kirche im Martyrium sein, von den Knien bis zu den Knöcheln ist sie blutig. Im Lebenszeugnis des Sterbens für Christus ist die Kirche in ihren Gläubigen in der Zeit des Antichristen Ort gelebter Spiritualität.
Die erwähnte Frauengestalt wird noch in all ihren Gliedern erschüttert, wenn der Sohn des Verderbens sich mit großem Getöse von seiner Stelle, aus dem Unterleib der Kirche löst, und versuchen wird zur Himmelshöhe aufzusteigen. Ein Donnerschlag zerschmettert plötzlich den Kopf des Antichristen Als die Dabeistehenden den höllischen Gestank und Nebel sehen, erfüllt sie ein großer Schrecken, sie rufen: „O allmächtiger Gott, erbarme dich unser! Lasst uns eilends zurückkehren zum Bund des Evangeliums Christi, denn ach, wir sind bitter getäuscht worden!“ (WW S. 487 )
Und die Füße der erwähnten Frauengestalt erscheinen glänzend weiß und leuchten heller als der Glanz der Sonne, wenn die Irrenden zum Weg der Wahrheit zurückkehren.
Am Ende der Zeiten wird die Kirche für alle aufstrahlen als Ort und Beheimatung der Menschen in Gott. Gelebte Spiritualität ist am Ziel der Sehnsucht, Gott im Menschen durch Jesus Christus und der Mensch in Gott. Die Kirche ist in Christus gleichsam das Sakrament durch die Zeiten, sie ist Zeichen und Weg für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit.
„Den Engeln bist du beigesellt und wohnst bei den Heiligen, komm in den Königspalast!“
Die Menschen leben in den Freuden der ewigen Schau..
Benutzte Literatur
Hildegard von Bingen, Wisse die Wege, Liber Scivias
Neuübersetzt von Mechthild Heieck, Beuroner Kunstverlag 2010
Hildegard von Bingen, Lieder
Herausgegeben v. Pudentia Barth, OSB, M. Immaculata Ritscher OSB, Joseph Schmidt-Görg,
Otto Müller Verlag Salzburg, 1969
Unterscheidungsmerkmale der Hildegard- Heilkunde zur wissenschaftlichen Medizin und der Naturheilkunde sowie der TCM
von Dr.med. Michael Ptok
Die Heilkunde der Hl. Hildegard von Bingen wird oft aus dem Verständnis und Blickwinkel der wissenschaftlichen Medizin oder der allgemeinen Naturheilkunde und Klostermedizin bzw. der fernöstlichen Heilweisen einschließlich der Traditionell Chinesischen Medizin TCM betrachtet. Diese Vorgehensweise wird der Hl. Hildegard aus zwei Gründen nicht gerecht. Zum einen betont die Äbtissin an drei Stellen ihrer theologischen Werke (s. Vorwort) deutlich, dass es sich auch bei den heilkundlichen Werken um Visionen handelt, die somit völlig einmalig und von besonderer „Entstehung“ sind. Zum anderen kann allein an ihren Beschreibungen der Pflanzen und Bäume zu den Qualitäten „warm“ oder „kalt“ ein gravierender Unterschied zu den anderen bekannten Heilweisen dargestellt werden. In der „Physica“ gibt die Hl. Hildegard sehr differenzierte Angaben zu den feinstofflichen Qualitäten – Subtilitäten genannt – u.a. der Pflanzen und Bäume und ihre sinnvolle Verwendung als Heilmittel.
In diesem Artikel soll es um eine Übersicht allein der Feinstofflichkeiten in der Unterscheidung von Wärme bzw. Kälte gehen und eine kurze Gegenüberstellung ihrer Heilprinzipien zu anderen traditionellen und wissenschaftlichen Heilverfahren.
In der wissenschaftlichen Medizin ist das Anti- also Gegen-Prinzip bestens bekannt. Antibiotika werden gegen Bakterien eingesetzt, Antimykotica gegen Pilzerkrankungen, Antihormone in der Tumorbehandlung, Antiarrythmica gegen Herzrhythmusstörungen. Diese Aufstellung ließe sich leicht erweitern.
In traditionellen Heilverfahren kennen wir dementsprechend die Anwendung von kühlenden Maßnahmen bei Erkrankungen, die mit Wärme und Hitze einhergehen. Das klassische Beispiel dafür ist der kühlende Wadenwickel mit lauwarmen Umschlägen, der auch heute noch bei Fieber sehr sinnvoll sein kann, wenn keine Kreislaufschwäche mit kalten Extremitäten vorliegt. Bei entgegengesetzten Beschwerden gilt: Wärmezufuhr lindert Kältekrankheiten oder Kältesymptome. So ist eine Wärmflasche oder ein heißer Tee bei einem Infekt mit großer Frierneigung angenehm und anzuraten. …
Dieses Prinzip ist so nicht auf die Hildegard- Heilkunde übertragbar. Die Äbtissin beschreibt die Heilmittel viel differenzierter und erweitert damit das Spektrum der Wirkweisen. Zu den faszinierenden Aspekten ihrer Aussagen gehören die zunächst paradox erscheinenden Anwendungen von
Wärme gegen Wärme
und
Kälte gegen Kälte.
Letzteres ist in der Volksmedizin z. B. bekannt in der Einreibung von gefrorenen Händen mit Schnee.
Eine weitere wichtige Unterscheidung trifft Hildegard, wenn sie schreibt:
Gute Wärme oder auch gute Kälte
Das bedeutet, kalt oder warm allein ist für sie nicht das einzige Qualitätskriterium, denn sie kennt auch eine
schädliche Wärme oder eine schädliche Kälte.
Zudem benennt sie Heilmittel, die gleichzeitig
Wärme und Kälte enthalten….
Zusammenfassend erschließt sich daraus:
Die einfache Zuordnung „warm gegen kalt“ und „kalt gegen warm“ wird den Beschreibungen Hildegard von Bingens nicht gerecht. Einschränkungen und „Verbote“ von Pflanzen oder Früchten mit guter Wärme sind für Menschen mit warmer Grundstruktur nicht gerechtfertigt.
So kann daher der Dinkel, der selber warm ist, sowohl von Menschen mit warmem als auch kaltem Naturell empfohlen werden.
Erst die exakten schriftlichen Angaben der Heiligen weisen den rechten Weg.
Im Folgenden werden die zehn unterschiedlichen Behandlungsmöglichkeiten anhand von hildegardischen Beispielen erläutert:
1.Wärme gegen Kälte
Dieses alleinige Gegensatz-Prinzip gibt es erstaunlicherweise bei Hildegard im Wesentlichen nicht. Die wichtigsten Heilmittel dieser Gruppe sind zugleich bei Wärme-Krankheiten wirksam und werden daher unter Punkt 5 besprochen.
2. Kälte gegen Wärme
Tormentill: 1-160
„Die Tormentill ist kalt, und diese Kälte ist gut und gesund (R1-454) und sie wirkt gegen Fieber, die von schädlichen Speisen kommen.“
…
3.Wärme gegen Wärme
Kümmel: 1-17
„Der Kümmel ist von gemäßigter Wärme und trocken.(R1-048) Für den Gesunden ist er jedoch gut zu essen, weil er ihm einen guten Verstand bereitet und jenem milde Wärme einbringt, der zu warm ist.“
…
Zitrone: 3-18
„Der Zitronenbaum, nämlich der, an dem die große Zitrone wächst, ist mehr warm als kalt…(R3-108) Und ein Mensch, der tägliches Fieber hat, koche die Blätter dieses Baumes in Wein, und er seihe diesen Wein durch ein Tuch, und er trinke es oft, und er wird geheilt werden. (R3-109) Aber wenn auch die Früchte dieses Baumes gegessen werden, unterdrücken sie das Fieber im Menschen.“
…
Galgant: 1-13
„Der Galgant ist ganz warm und hat keine Kälte in sich und ist heilkräftig.
(R1-024) Ein Mensch, der ein hitziges Fieber in sich hat, pulverisiere Galgant und trinke dieses Pulver in Quellwasser, und er wird das hitzige Fieber löschen.“
4. Kälte gegen Kälte
…
5. Wärme sowohl gegen Kälte als auch Wärme
Raute : 1-64
„Die Raute hat gemischte Wärme in sich, aber doch mehr Wärme…
(R1-178) Denn die Wärme der Raute vermindert die unrechte Wärme der Melancholie und mäßigt die unrechte Kälte der Melancholie.“
…
Fortsetzung im nächsten Heft.
Die Gundelrebe
Die Gundelrebe, auch Gundermann, Petersilie der Soldaten, Erdelfen genannt, finden wir vom frühen Frühjahr -an kleinen violetten Blüten erkennbar- bis in den Dezember hinein.
Als Ranke am Boden oder auch aufgerichtet ist sie an Wald- und Parkrändern, Hecken, Wiesen und vor allem in unseren Gärten als Kulturnachfolgepflanze vertreten und stellt ihre Blätter als Küchengrün mit viel Vitamin C und einem besonderem Aroma bereit. Je nach Standort sind diese klein und hellgrün oder auch sehr groß und dunkel. Hildegard empfiehlt uns die Gundelrebe in den Kapiteln 1-105 und 1-212.
„Die Gundelrebe ist warm und trocken, und sie hat gewisse Kräfte der Gewürze, weil ihre Grünkraft angenehm und nützlich ist, so dass ein Mensch, der lange kraftlos ist und dem das Fleisch schwindet, mit Gundelrebe gewärmtes Wasser trinken soll , und er esse sie oft gekocht in einer Beikost oder Fleischspeisen oder mit Törtchen,… weil ihr guter Saft innerlich heilt…“
Die Blätter lassen sich klein geschnitten verarbeiten zu Mehlspeisen, Eintopf, Gemüse, Teigtaschen, Soßen, Nachtisch aller Art, zu allem Gebackenem oder phantasievoll als Dekorierung verwenden.
Rezension des Buches „Mit Seele, Leib & Sinnen“ von Hildegard Strickerschmidt, erschienen September 2012 im Benno-Verlag zum Preis von 9,95 Euro
Bereits das Cover des Buches mit seinen frischen grün-blau-weißen Farbtönen gibt den Blick frei in eine ewige Landschaft mit einem ausladenden Laubbaum, einem blühenden Feld und dem leuchtenden Stern. Das handliche Format mit seiner berührungsfreundlichen Oberfläche macht es zu einem Buch, das man ständig griffbereit im Handgepäck bei sich haben kann. Die 1-2 seitigen Textabschnitte ermöglichen es, auch kurze Lesephasen zu nutzen und Inspirationen für sich herauszuziehen.
Inhaltlich ist es ein Buch, das längst überfällig ist, da man zu dem Grundthema der Tugenden und Laster nach Hildegard von Bingen (HvB) wenig Sekundärliteratur auf dem Büchermarkt findet. Es bietet uns die Möglichkeit, uns in unserem menschlichen Dasein neu zu entdecken und zu reflektieren, und ist eine Quelle sowohl für Sinnsuchende als auch zur allgemeinen Bewußtseinserweiterung. Der Weg führt über die innere Freiheit zur geistigen Sättigung. Dabei kommen nicht nur die geistigen Gefahren zur Sprache, sondern es vermittelt Hoffnung für Seele, Leib und Sinne. Anschauliche Beispiele aus dem heutigen Leben machen die schwierigen Urtexte zugänglicher und ermöglichen dem Leser einen unvoreingenommenen Blick auf die verdeckten Motive seines Handelns. Selbst bei Lastern, welche den Menschen scheinbar im Griff haben, ist die Situation nicht aussichtslos.
Die Tugenden und Laster nach HvB werden in 17 von insgesamt 35 Gegensatzpaaren aufgeführt und in 2er oder 3er Gruppen zusammengefaßt. Dabei werden Originaltexte nach Hildegard von Bingen zitiert und in unser heutiges Sprachverständnis übersetzt. Die einzelnen Kapitel werfen die damit verbundenen Lebensfragen auf und beantworten sie im Geist Hildegards.
Es ist ein Buch, das den Leser tief berührt und fasziniert. Man darf gespannt sein, wie sich das Gelesene im Leben verwirklicht. Und die Fortsetzung läßt hoffentlich nicht lange auf sich warten.
Hannelore Kjer, Ernährungs- und Gesundheitsberater und Fastenleiterin nach Hildegard von Bingen, Sonthofen-Altstädten.
Vorwort
Liebe Leserinnen und Leser,
die eindrucksvollen Erlebnisse unserer Romfahrt zur Erhebung der Hl. Hildegard von Bingen zur Kirchenlehrerin am 7.Oktober 2012 liegen hinter uns. Viele Hildegardbegeisterte feierten auf dem Petersplatz mit. Wohl kaum jemand hatte Jahre zuvor gehofft, diesen Augenblick erleben zu dürfen. Nun ist alles so schnell gekommen, und wir haben innerhalb eines Jahres nicht nur ihre offizielle Heiligkeit in der Weltkirche erleben dürfen, sondern auch noch die seltene Auszeichnung Doctor Ecclesiae, Kirchenlehrerin. Ihre theologischen Verdienste sind damit anerkannt.
Kardinal Lehmann sagte in seiner Ansprache am Vorabend der Erhebung in der deutschen Botschaft in Rom: „Der größte Dank gehört Papst Benedikt XVI. für seinen Mut, die Hl. Hildegard von Bingen zur Kirchenlehrerin zu erheben.“ Ganz sicher hat Papst Benedikt XVI. damit auch einen wichtigen Impuls zur intensiveren Auseinandersetzung mit den Werken der Heiligen gegeben, „um ihre Bedeutung auch in unsere Gegenwart zu übersetzen. Dies ist, so bin ich der Meinung, der schwierigere Anteil des Auftrages, den uns das Fest anvertraut;“ führte der Kardinal weiter aus.
Das betrifft nicht nur Theologen und Wissenschaftler, sondern alle, die sich mit ihrer Theologie, Mystik, Musik und christlichen Heilkunde beschäftigen. Mir scheint es hierbei eine Parallele zu geben. Hildegard ist seit über 850 Jahren als Heilige verehrt worden. Die offizielle Anerkennung ihrer Theologie ist nun erfolgt. Ob es mit ihrer Heilkunde, welche auch heute noch z.T. in Frage gestellt wird, nicht genau so sein könnte? Hildegard sieht sie immer im Zusammenhang von Gott, Schöpfung und Mensch. An zwei Stellen ihrer theologischen Werke betont sie ausdrücklich den visionären Ursprung ihrer heilkundlichen Aussagen:
1) In der Einleitung zu dem Buch der Lebensverdienste LVM (übersetzt von Prof. Dr. Schipperges) schreibt sie: „Es war das erste Jahr, nachdem dieses Gesicht mir folgende Schriften zu erklären gegeben hatte: „Die Feinheiten der verschiedenen Naturen der Geschöpfe“, ferner Antworten und Ermahnungen an zahlreiche Personen …, alsdann die „Sinphonie der Harmonie himmlischer Offenbarungen“ und…“(S. 27) und auch
2) in der der achten Schau des Buches der göttlichen Werke LDO (übersetzt von M. Heieck): „Die Liebe…Sie selbst betrachtet auch Ihr Werk, das sie …ordnete, indem sie auch durch die eben erwähnte ungebildete Frau [Hildegard] gewisse natürliche Kräfte verschiedener Dinge – virtutes naturales diversorum rerum- und die Schriften über die Verdienste des Lebens– scriptura vitae meritorum- und ebenso andere tiefe Geheimnisse eröffnete, die diese Frau in wahrer Vision schaute …“ (S. 375)
3) Zudem steht wörtlich auf S. 68 in der Vita, die von den Mönchen Gottfried und Theoderich verfasst wurde: „Auch offenbarte sie in prophetischem Geist einiges über die Natur des Menschen, der Elemente und der verschiedenen Geschöpfe, und wie durch sie dem Menschen zu helfen sei und viele andere Geheimnisse.“
Unbestritten ist dabei, dass Hildegard in der Tradition der benediktinischen Klosterheilkunde stand, ihre Aussagen gehen jedoch deutlich darüber hinaus (s.u.). Das Wissen der Erfahrungsheilkunde wurde und wird vornehmlich in Laienkreisen geachtet und erfolgreich angewendet. Gott sei Dank gibt es jedoch schon verschiedene anerkannte wissenschaftliche Untersuchungen zur Wirksamkeit naturheilkundlicher Verfahren wie Aderlass, Schröpfen und auch pflanzlicher Wirkstoffe. ….
Nachdem es so viele gute Erfahrungen über Jahrzehnte mit ihren Heilanwendungen gibt, hoffen wir auch hier um eine offizielle Anerkennung.
Mit dem Wunsch, dass Hildegards Heils- und Heilkunde immer mehr Menschen Hilfe, Orientierung und Zuversicht bringen möge und mit allen guten Segenswünschen zum Advent, zu Weihnachten und für das Jahr 2013 grüße ich Sie und Euch herzlich
Ihr / Eurer
Michael Ptok
Präsident der Internationalen Gesellschaft Hildegard von Bingen, CH Engelberg
Karl Kardinal Lehmann, Bischof von Mainz
– Ein unbequemes, tiefes und heiliges Charisma
Vortrag auf Einladung des Botschafters der Bundesrepublik Deutschland beim Hl. Stuhl am Vorabend der feierlichen Erhebung der hl. Hildegard zur Kirchenlehrerin am 6. Oktober 2012 in Rom
http://www.bistummainz.de/bistum/bistum/kardinal/index.html?f_action=show&f_newsitem_id=32142
Die Kirche als Ort gelebter Spiritualität in der Schau der hl. Hildegard
Sr. Hiltrud Gutjahr OSB, Benediktinerin in der Abtei St. Hildegard Rüdesheim /Eibingen
2. Teil, Fortsetzung aus Heft 122, September 2012
In der folgenden 4. Vision schaute Hildegard die Frauengestalt Kirche vor einem großen runden Turm stehen, der aus einem einzigen weißen Stein bestand und oben drei Fenster hatte. So konnte die Kirche nicht umfallen (WW S. 137 ) Der Turm bezeichnet das Feuer der Gaben des Heiligen Geistes, das der Vater dem Sohn zuliebe auf die Erde gesandt hat. Die Kirche, gefestigt und gestärkt im Heiligen Geist, kann von keinem Wüten des Teufels besiegt werden. Aus den drei Fenstern des Turmes erstrahlt der unaussprechliche Glanz der Heiligen Dreifaltigkeit, denn der dreifaltige Gott tut sich in der Ausgießung der Gaben des Heiligen Geistes kund. Sowie die Apostel im Heiligen Geist gestählt, die Wahrheit Gottes in Jesus Christus verkündeten, sollen die Getauften im Heiligen Geist gesalbt werden, „durch die Salbung des erhabenen Lehrers ( des Bischofs )gefirmt werden, wie auch die Kirche auf festem Fels gegründet ist“. (WW S. 140 ) Die Kirche spendet im Sakrament der Firmung den Heiligen Geist. Nicht nur in der hl. Taufe sondern auch in der Firmung wird der Gläubige gestärkt und unterstützt in seiner Sehnsucht nach Gott, in seiner spirituellen Beziehung .
Durch den Leib der Frauengestalt sah die Seherin Kinder Gottes hindurchziehen, die in großer Herrlichkeit aufleuchteten, Menschen mit hellen Augen und starken Füßen. Andere hatten kranke Augen und schwache Füße, sie gingen mit einem Stock. Die Kirche als Raum der Sehnsucht und Beziehung und Offenbarung Gottes ruft den Menschen wie eine Posaune zu : Mensch, lass dich reinigen in der Wiedergeburt zum Heile und salben mit der Salbung der Heiligkeit, fliehe den Tod, folge dem Leben! Fürchte den Vater, liebe den Sohn und glühe im Heiligen Geist!“ ( WW S. 144 )
Dieser Ruf wird der Kirche von mir, dem Vater durch den Sohn im Heiligen Geist eingegeben.
Die Gläubigen sollen das volle heile Leben in Gott finden, deshalb nährt der Sohn Gottes die Menschen mit sich selbst im Brot des Lebens.
Hildegard wurde in der Vision vom Ursprung der Kirche gezeigt, wie Gott selbst die Gläubigen mit sich in den Gestalten von Brot und Wein beschenkt.
„Als Jesus Christus, der wahre Sohn Gottes, an seinem Marterholz hing, wurde die Kirche in der Verborgenheit der himmlischen Geheimnisse mit ihm verbunden und mit seinem purpurnen Blut als Brautgabe beschenkt. Darauf deutet sie selbst hin, wenn sie häufig an den Altar tritt, ihre Brautgabe einfordert und sehr sorgfältig beobachtet, mit wie tiefer Ehrfurcht ihre Söhne zu den göttlichen Geheimnissen hinzutreten und sie empfangen.“ (WW S. 200 )
Hildegard sah die Kirche als goldene (in Licht getauchte )Frauengestalt öfter zum Altar hinzutreten, mit Ehrfurcht auf ihre Brautgabe blicken und sie demütig dem himmlischen Vater zeigen. Das geschieht jedes Mal, wenn der Priester mit heiligen Gewändern angetan, zum Altar tritt, um die hl. Geheimnisse, um Eucharistie, zu feiern. Hildegard schaute „wie plötzlich ein sehr heller Lichtglanz unter dem Geleit von Engeln aus dem Himmel kam und den Altar ganz umstrahlte. Er blieb solange auf ihm, bis nach Vollendung des Messopfers der Priester den Altar verließ. ………….Nachdem der Priester den Lobpreis des allmächtigen Gottes, d.h. sanctus, sanctus, sanctus Dominus Deus Sabaoth, sang, senkte sich plötzlich aus dem offenen Himmel ein feuriges Leuchten von unvorstellbarer Helligkeit auf diese Opfergaben herab, und übergoss sie ganz mit seinem Schein. Und während er sie so durchstrahlte, hob er sie unsichtbar zu den Geheimnissen des Himmels empor und senkte sie wieder auf den Altar zurück, wie ein Mensch die Atemluft einzieht und wieder ausatmet. So waren sie wahres Fleisch und wahres Blut geworden, obwohl sie in den Augen der Menschen als Brot und Wein erschienen.“ (WW S. 199 )….
Dann hörte Hildegard aus dem verschlossenen Himmel die Aufforderung: „Esst und trinkt den Leib und das Blut meines Sohnes zur Tilgung der Sünde Evas, damit ihr in euer rechtmäßiges Erbe eingesetzt werdet.“ ( WW S. 199 ) „Esst im Glauben, die ihr durch die Taufe meine Freunde geworden seid. (WW S. 213 ) Esst meinen Leib, denn ihr müsst meine Werke im Geist und in eurem Fleisch nachahmen. Der Heilige Geist gibt sie euren Herzen ein.
Wer das Fleisch meines Sohnes würdig empfängt, wird an Seele und Leib mit himmlischem Licht überflutet und im Glauben von den Makeln seiner inneren Unlauterkeit gereinigt. (WW S. 217 )
In der Vision des Opfers Christi mit der Kirche als Braut Christi und der Feier der Eucharistie mit der Kirche als Priesterin, die ihre Hochzeitsgabe empfängt und an die Gläubigen austeilt, leuchtet die Kirche als Ort gelebter Spiritualität in der dichtesten Form auf. Die goldene Gestalt der Ekklesia, der Kirche, in der Rupertsberger Miniatur verbindet die Passion Christi mit der als Hochzeitsfest gesehenen Eucharistie. Sie empfängt das Blut Christi in ihrem Kelch und erhebt ihre Augen und Hände in einer priesterlichen Geste zum Himmel, indem sie die Eucharistie darbietet, die ihre Mitgift und ihr Hochzeitsmahl ist.
Hier ist die Kirche in der Eucharistiefeier der transparente Ort für die Gottesbegegnung und Gotteserfahrung der Menschen.
3. Die Kirche als Ort gelebter Spiritualität im Gebet und im Zeugnis
In der Geschichte zeigt sich die Kirche als geistiger Raum, als Leib Christi, in der Haltung des Gebetes, der Orante, die alle Stände der Kirche in sich trägt. Hildegard schaute die erwähnte Frauengestalt in einem durchsichtigen Glanz in der 5. Vision. In der Brust schimmerte sie wie Morgenröte. Dort leuchtete eine schöne Mädchengestalt mit einer gewaltigen Schar von Menschen auf, leuchtender als die Sonne, Maria mit den jungfräulichen Menschen, die Töchter Zions . Bei ihnen ist „alle Art von Musik und die Stimme des ganzen Frohlockens und die Freude der Freuden.“ (WW S. 151 ) Hier wird die gelebte Gottesbeziehung als tiefe Freude mit Maria und den Heiligen erfahren. Die Kirche lehrt uns, Beziehungen zur Muttergottes und zu den Heiligen zu pflegen als Hilfe für unsere Gottverbundenheit. Ist doch Beten eine Beziehungspflege.
In dieser Vision zeigt sich auch das Böse, das gegen die Kirche angeht. „Unterhalb des Glanzes, dort wo er wie die Morgenröte schimmerte, sah Hildegard zwischen Himmel und Erde dichteste Finsternis heraufziehen, die so grauenhaft war, dass es eine menschliche Zunge nicht auszudrücken vermag. Und sie hörte eine Stimme vom Himmel sagen: „Wenn der Sohn Gottes nicht am Kreuz gelitten hätte, würde jene Finsternis es keineswegs zulassen, dass der Mensch zur himmlischen Herrlichkeit gelangt.“ ( WW S. 151 )
Dieses Böse wird am Ende der Zeiten in die Kirche eindringen.
„Die Frauengestalt, die die Seherin am Altar, d.h. vor den Augen Gottes gesehen hatte, wird ihr wieder gezeigt, und zwar von der Mitte ihres Leibes abwärts. Verschiedene schuppenartige Flecken weisen dort auf den erbarmungswürdigen Zustand der Kirche hin; sie muss viele Laster wie Unzucht, Mord, Raub erdulden von denjenigen , die sie lieben sollten. An der Stelle des weiblichen Erkennens erschien ein abscheulicher pechschwarzer Kopf mit feurigen Augen und Eselsohren und mit Nüstern und einem Maul, wie ein Löwe sie hat. Er knirschte mit weit aufgerissenem Maul, als ob er seine entsetzlich eisernen Zähne schrecklich wetzte.“ ( WW S. 486 ) Es ist der Sohn des Verderbens, der Antichrist, der die Gläubigen und kirchlichen Institutionen zerfleischt und den Menschen durch schlimmste Leidenschaften und Widersprüche dazu bringt, Gott zu leugnen. Die Kirche wird in ihren Kindern das Weiß des wahren Glaubens bewahren, sie wird ein Ort des Zeugnisses für den dreifaltigen Gott sein unter großen Drangsalen und Leiden. Wenn der Sohn des Verderbens in seiner widersetzlichen Lehre trügerisch bestärkt, Selbstvertrauen und Kraft gewonnen hat, wird auch die Kirche im Martyrium sein, von den Knien bis zu den Knöcheln ist sie blutig. Im Lebenszeugnis des Sterbens für Christus ist die Kirche in ihren Gläubigen in der Zeit des Antichristen Ort gelebter Spiritualität.
Die erwähnte Frauengestalt wird noch in all ihren Gliedern erschüttert, wenn der Sohn des Verderbens sich mit großem Getöse von seiner Stelle, aus dem Unterleib der Kirche löst, und versuchen wird zur Himmelshöhe aufzusteigen. Ein Donnerschlag zerschmettert plötzlich den Kopf des Antichristen Als die Dabeistehenden den höllischen Gestank und Nebel sehen, erfüllt sie ein großer Schrecken, sie rufen: „O allmächtiger Gott, erbarme dich unser! Lasst uns eilends zurückkehren zum Bund des Evangeliums Christi, denn ach, wir sind bitter getäuscht worden!“ (WW S. 487 )
Und die Füße der erwähnten Frauengestalt erscheinen glänzend weiß und leuchten heller als der Glanz der Sonne, wenn die Irrenden zum Weg der Wahrheit zurückkehren.
Am Ende der Zeiten wird die Kirche für alle aufstrahlen als Ort und Beheimatung der Menschen in Gott. Gelebte Spiritualität ist am Ziel der Sehnsucht, Gott im Menschen durch Jesus Christus und der Mensch in Gott. Die Kirche ist in Christus gleichsam das Sakrament durch die Zeiten, sie ist Zeichen und Weg für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit.
„Den Engeln bist du beigesellt und wohnst bei den Heiligen, komm in den Königspalast!“
Die Menschen leben in den Freuden der ewigen Schau..
Benutzte Literatur
Hildegard von Bingen, Wisse die Wege, Liber Scivias
Neuübersetzt von Mechthild Heieck, Beuroner Kunstverlag 2010
Hildegard von Bingen, Lieder
Herausgegeben v. Pudentia Barth, OSB, M. Immaculata Ritscher OSB, Joseph Schmidt-Görg,
Otto Müller Verlag Salzburg, 1969
Unterscheidungsmerkmale der Hildegard- Heilkunde zur wissenschaftlichen Medizin und der Naturheilkunde sowie der TCM
von Dr.med. Michael Ptok
Die Heilkunde der Hl. Hildegard von Bingen wird oft aus dem Verständnis und Blickwinkel der wissenschaftlichen Medizin oder der allgemeinen Naturheilkunde und Klostermedizin bzw. der fernöstlichen Heilweisen einschließlich der Traditionell Chinesischen Medizin TCM betrachtet. Diese Vorgehensweise wird der Hl. Hildegard aus zwei Gründen nicht gerecht. Zum einen betont die Äbtissin an drei Stellen ihrer theologischen Werke (s. Vorwort) deutlich, dass es sich auch bei den heilkundlichen Werken um Visionen handelt, die somit völlig einmalig und von besonderer „Entstehung“ sind. Zum anderen kann allein an ihren Beschreibungen der Pflanzen und Bäume zu den Qualitäten „warm“ oder „kalt“ ein gravierender Unterschied zu den anderen bekannten Heilweisen dargestellt werden. In der „Physica“ gibt die Hl. Hildegard sehr differenzierte Angaben zu den feinstofflichen Qualitäten – Subtilitäten genannt – u.a. der Pflanzen und Bäume und ihre sinnvolle Verwendung als Heilmittel.
In diesem Artikel soll es um eine Übersicht allein der Feinstofflichkeiten in der Unterscheidung von Wärme bzw. Kälte gehen und eine kurze Gegenüberstellung ihrer Heilprinzipien zu anderen traditionellen und wissenschaftlichen Heilverfahren.
In der wissenschaftlichen Medizin ist das Anti- also Gegen-Prinzip bestens bekannt. Antibiotika werden gegen Bakterien eingesetzt, Antimykotica gegen Pilzerkrankungen, Antihormone in der Tumorbehandlung, Antiarrythmica gegen Herzrhythmusstörungen. Diese Aufstellung ließe sich leicht erweitern.
In traditionellen Heilverfahren kennen wir dementsprechend die Anwendung von kühlenden Maßnahmen bei Erkrankungen, die mit Wärme und Hitze einhergehen. Das klassische Beispiel dafür ist der kühlende Wadenwickel mit lauwarmen Umschlägen, der auch heute noch bei Fieber sehr sinnvoll sein kann, wenn keine Kreislaufschwäche mit kalten Extremitäten vorliegt. Bei entgegengesetzten Beschwerden gilt: Wärmezufuhr lindert Kältekrankheiten oder Kältesymptome. So ist eine Wärmflasche oder ein heißer Tee bei einem Infekt mit großer Frierneigung angenehm und anzuraten. …
Dieses Prinzip ist so nicht auf die Hildegard- Heilkunde übertragbar. Die Äbtissin beschreibt die Heilmittel viel differenzierter und erweitert damit das Spektrum der Wirkweisen. Zu den faszinierenden Aspekten ihrer Aussagen gehören die zunächst paradox erscheinenden Anwendungen von
Wärme gegen Wärme
und
Kälte gegen Kälte.
Letzteres ist in der Volksmedizin z. B. bekannt in der Einreibung von gefrorenen Händen mit Schnee.
Eine weitere wichtige Unterscheidung trifft Hildegard, wenn sie schreibt:
Gute Wärme oder auch gute Kälte
Das bedeutet, kalt oder warm allein ist für sie nicht das einzige Qualitätskriterium, denn sie kennt auch eine
schädliche Wärme oder eine schädliche Kälte.
Zudem benennt sie Heilmittel, die gleichzeitig
Wärme und Kälte enthalten….
Zusammenfassend erschließt sich daraus:
Die einfache Zuordnung „warm gegen kalt“ und „kalt gegen warm“ wird den Beschreibungen Hildegard von Bingens nicht gerecht. Einschränkungen und „Verbote“ von Pflanzen oder Früchten mit guter Wärme sind für Menschen mit warmer Grundstruktur nicht gerechtfertigt.
So kann daher der Dinkel, der selber warm ist, sowohl von Menschen mit warmem als auch kaltem Naturell empfohlen werden.
Erst die exakten schriftlichen Angaben der Heiligen weisen den rechten Weg.
Im Folgenden werden die zehn unterschiedlichen Behandlungsmöglichkeiten anhand von hildegardischen Beispielen erläutert:
1.Wärme gegen Kälte
Dieses alleinige Gegensatz-Prinzip gibt es erstaunlicherweise bei Hildegard im Wesentlichen nicht. Die wichtigsten Heilmittel dieser Gruppe sind zugleich bei Wärme-Krankheiten wirksam und werden daher unter Punkt 5 besprochen.
2. Kälte gegen Wärme
Tormentill: 1-160
„Die Tormentill ist kalt, und diese Kälte ist gut und gesund (R1-454) und sie wirkt gegen Fieber, die von schädlichen Speisen kommen.“
…
3.Wärme gegen Wärme
Kümmel: 1-17
„Der Kümmel ist von gemäßigter Wärme und trocken.(R1-048) Für den Gesunden ist er jedoch gut zu essen, weil er ihm einen guten Verstand bereitet und jenem milde Wärme einbringt, der zu warm ist.“
…
Zitrone: 3-18
„Der Zitronenbaum, nämlich der, an dem die große Zitrone wächst, ist mehr warm als kalt…(R3-108) Und ein Mensch, der tägliches Fieber hat, koche die Blätter dieses Baumes in Wein, und er seihe diesen Wein durch ein Tuch, und er trinke es oft, und er wird geheilt werden. (R3-109) Aber wenn auch die Früchte dieses Baumes gegessen werden, unterdrücken sie das Fieber im Menschen.“
…
Galgant: 1-13
„Der Galgant ist ganz warm und hat keine Kälte in sich und ist heilkräftig.
(R1-024) Ein Mensch, der ein hitziges Fieber in sich hat, pulverisiere Galgant und trinke dieses Pulver in Quellwasser, und er wird das hitzige Fieber löschen.“
4. Kälte gegen Kälte
…
5. Wärme sowohl gegen Kälte als auch Wärme
Raute : 1-64
„Die Raute hat gemischte Wärme in sich, aber doch mehr Wärme…
(R1-178) Denn die Wärme der Raute vermindert die unrechte Wärme der Melancholie und mäßigt die unrechte Kälte der Melancholie.“
…
Fortsetzung im nächsten Heft.
Die Gundelrebe
Die Gundelrebe, auch Gundermann, Petersilie der Soldaten, Erdelfen genannt, finden wir vom frühen Frühjahr -an kleinen violetten Blüten erkennbar- bis in den Dezember hinein.
Als Ranke am Boden oder auch aufgerichtet ist sie an Wald- und Parkrändern, Hecken, Wiesen und vor allem in unseren Gärten als Kulturnachfolgepflanze vertreten und stellt ihre Blätter als Küchengrün mit viel Vitamin C und einem besonderem Aroma bereit. Je nach Standort sind diese klein und hellgrün oder auch sehr groß und dunkel. Hildegard empfiehlt uns die Gundelrebe in den Kapiteln 1-105 und 1-212.
„Die Gundelrebe ist warm und trocken, und sie hat gewisse Kräfte der Gewürze, weil ihre Grünkraft angenehm und nützlich ist, so dass ein Mensch, der lange kraftlos ist und dem das Fleisch schwindet, mit Gundelrebe gewärmtes Wasser trinken soll , und er esse sie oft gekocht in einer Beikost oder Fleischspeisen oder mit Törtchen,… weil ihr guter Saft innerlich heilt…“
Die Blätter lassen sich klein geschnitten verarbeiten zu Mehlspeisen, Eintopf, Gemüse, Teigtaschen, Soßen, Nachtisch aller Art, zu allem Gebackenem oder phantasievoll als Dekorierung verwenden.
Rezension des Buches „Mit Seele, Leib & Sinnen“ von Hildegard Strickerschmidt, erschienen September 2012 im Benno-Verlag zum Preis von 9,95 Euro
Bereits das Cover des Buches mit seinen frischen grün-blau-weißen Farbtönen gibt den Blick frei in eine ewige Landschaft mit einem ausladenden Laubbaum, einem blühenden Feld und dem leuchtenden Stern. Das handliche Format mit seiner berührungsfreundlichen Oberfläche macht es zu einem Buch, das man ständig griffbereit im Handgepäck bei sich haben kann. Die 1-2 seitigen Textabschnitte ermöglichen es, auch kurze Lesephasen zu nutzen und Inspirationen für sich herauszuziehen.
Inhaltlich ist es ein Buch, das längst überfällig ist, da man zu dem Grundthema der Tugenden und Laster nach Hildegard von Bingen (HvB) wenig Sekundärliteratur auf dem Büchermarkt findet. Es bietet uns die Möglichkeit, uns in unserem menschlichen Dasein neu zu entdecken und zu reflektieren, und ist eine Quelle sowohl für Sinnsuchende als auch zur allgemeinen Bewußtseinserweiterung. Der Weg führt über die innere Freiheit zur geistigen Sättigung. Dabei kommen nicht nur die geistigen Gefahren zur Sprache, sondern es vermittelt Hoffnung für Seele, Leib und Sinne. Anschauliche Beispiele aus dem heutigen Leben machen die schwierigen Urtexte zugänglicher und ermöglichen dem Leser einen unvoreingenommenen Blick auf die verdeckten Motive seines Handelns. Selbst bei Lastern, welche den Menschen scheinbar im Griff haben, ist die Situation nicht aussichtslos.
Die Tugenden und Laster nach HvB werden in 17 von insgesamt 35 Gegensatzpaaren aufgeführt und in 2er oder 3er Gruppen zusammengefaßt. Dabei werden Originaltexte nach Hildegard von Bingen zitiert und in unser heutiges Sprachverständnis übersetzt. Die einzelnen Kapitel werfen die damit verbundenen Lebensfragen auf und beantworten sie im Geist Hildegards.
Es ist ein Buch, das den Leser tief berührt und fasziniert. Man darf gespannt sein, wie sich das Gelesene im Leben verwirklicht. Und die Fortsetzung läßt hoffentlich nicht lange auf sich warten.
Hannelore Kjer, Ernährungs- und Gesundheitsberater und Fastenleiterin nach Hildegard von Bingen, Sonthofen-Altstädten.
Vorwort
Liebe Leserinnen und Leser,
die eindrucksvollen Erlebnisse unserer Romfahrt zur Erhebung der Hl. Hildegard von Bingen zur Kirchenlehrerin am 7.Oktober 2012 liegen hinter uns. Viele Hildegardbegeisterte feierten auf dem Petersplatz mit. Wohl kaum jemand hatte Jahre zuvor gehofft, diesen Augenblick erleben zu dürfen. Nun ist alles so schnell gekommen, und wir haben innerhalb eines Jahres nicht nur ihre offizielle Heiligkeit in der Weltkirche erleben dürfen, sondern auch noch die seltene Auszeichnung Doctor Ecclesiae, Kirchenlehrerin. Ihre theologischen Verdienste sind damit anerkannt.
Kardinal Lehmann sagte in seiner Ansprache am Vorabend der Erhebung in der deutschen Botschaft in Rom: „Der größte Dank gehört Papst Benedikt XVI. für seinen Mut, die Hl. Hildegard von Bingen zur Kirchenlehrerin zu erheben.“ Ganz sicher hat Papst Benedikt XVI. damit auch einen wichtigen Impuls zur intensiveren Auseinandersetzung mit den Werken der Heiligen gegeben, „um ihre Bedeutung auch in unsere Gegenwart zu übersetzen. Dies ist, so bin ich der Meinung, der schwierigere Anteil des Auftrages, den uns das Fest anvertraut;“ führte der Kardinal weiter aus.
Das betrifft nicht nur Theologen und Wissenschaftler, sondern alle, die sich mit ihrer Theologie, Mystik, Musik und christlichen Heilkunde beschäftigen. Mir scheint es hierbei eine Parallele zu geben. Hildegard ist seit über 850 Jahren als Heilige verehrt worden. Die offizielle Anerkennung ihrer Theologie ist nun erfolgt. Ob es mit ihrer Heilkunde, welche auch heute noch z.T. in Frage gestellt wird, nicht genau so sein könnte? Hildegard sieht sie immer im Zusammenhang von Gott, Schöpfung und Mensch. An zwei Stellen ihrer theologischen Werke betont sie ausdrücklich den visionären Ursprung ihrer heilkundlichen Aussagen:
1) In der Einleitung zu dem Buch der Lebensverdienste LVM (übersetzt von Prof. Dr. Schipperges) schreibt sie: „Es war das erste Jahr, nachdem dieses Gesicht mir folgende Schriften zu erklären gegeben hatte: „Die Feinheiten der verschiedenen Naturen der Geschöpfe“, ferner Antworten und Ermahnungen an zahlreiche Personen …, alsdann die „Sinphonie der Harmonie himmlischer Offenbarungen“ und…“(S. 27) und auch
2) in der der achten Schau des Buches der göttlichen Werke LDO (übersetzt von M. Heieck): „Die Liebe…Sie selbst betrachtet auch Ihr Werk, das sie …ordnete, indem sie auch durch die eben erwähnte ungebildete Frau [Hildegard] gewisse natürliche Kräfte verschiedener Dinge – virtutes naturales diversorum rerum- und die Schriften über die Verdienste des Lebens– scriptura vitae meritorum- und ebenso andere tiefe Geheimnisse eröffnete, die diese Frau in wahrer Vision schaute …“ (S. 375)
3) Zudem steht wörtlich auf S. 68 in der Vita, die von den Mönchen Gottfried und Theoderich verfasst wurde: „Auch offenbarte sie in prophetischem Geist einiges über die Natur des Menschen, der Elemente und der verschiedenen Geschöpfe, und wie durch sie dem Menschen zu helfen sei und viele andere Geheimnisse.“
Unbestritten ist dabei, dass Hildegard in der Tradition der benediktinischen Klosterheilkunde stand, ihre Aussagen gehen jedoch deutlich darüber hinaus (s.u.). Das Wissen der Erfahrungsheilkunde wurde und wird vornehmlich in Laienkreisen geachtet und erfolgreich angewendet. Gott sei Dank gibt es jedoch schon verschiedene anerkannte wissenschaftliche Untersuchungen zur Wirksamkeit naturheilkundlicher Verfahren wie Aderlass, Schröpfen und auch pflanzlicher Wirkstoffe. ….
Nachdem es so viele gute Erfahrungen über Jahrzehnte mit ihren Heilanwendungen gibt, hoffen wir auch hier um eine offizielle Anerkennung.
Mit dem Wunsch, dass Hildegards Heils- und Heilkunde immer mehr Menschen Hilfe, Orientierung und Zuversicht bringen möge und mit allen guten Segenswünschen zum Advent, zu Weihnachten und für das Jahr 2013 grüße ich Sie und Euch herzlich
Ihr / Eurer
Michael Ptok
Präsident der Internationalen Gesellschaft Hildegard von Bingen, CH Engelberg
Karl Kardinal Lehmann, Bischof von Mainz
– Ein unbequemes, tiefes und heiliges Charisma
Vortrag auf Einladung des Botschafters der Bundesrepublik Deutschland beim Hl. Stuhl am Vorabend der feierlichen Erhebung der hl. Hildegard zur Kirchenlehrerin am 6. Oktober 2012 in Rom
http://www.bistummainz.de/bistum/bistum/kardinal/index.html?f_action=show&f_newsitem_id=32142
Die Kirche als Ort gelebter Spiritualität in der Schau der hl. Hildegard
Sr. Hiltrud Gutjahr OSB, Benediktinerin in der Abtei St. Hildegard Rüdesheim /Eibingen
2. Teil, Fortsetzung aus Heft 122, September 2012
In der folgenden 4. Vision schaute Hildegard die Frauengestalt Kirche vor einem großen runden Turm stehen, der aus einem einzigen weißen Stein bestand und oben drei Fenster hatte. So konnte die Kirche nicht umfallen (WW S. 137 ) Der Turm bezeichnet das Feuer der Gaben des Heiligen Geistes, das der Vater dem Sohn zuliebe auf die Erde gesandt hat. Die Kirche, gefestigt und gestärkt im Heiligen Geist, kann von keinem Wüten des Teufels besiegt werden. Aus den drei Fenstern des Turmes erstrahlt der unaussprechliche Glanz der Heiligen Dreifaltigkeit, denn der dreifaltige Gott tut sich in der Ausgießung der Gaben des Heiligen Geistes kund. Sowie die Apostel im Heiligen Geist gestählt, die Wahrheit Gottes in Jesus Christus verkündeten, sollen die Getauften im Heiligen Geist gesalbt werden, „durch die Salbung des erhabenen Lehrers ( des Bischofs )gefirmt werden, wie auch die Kirche auf festem Fels gegründet ist“. (WW S. 140 ) Die Kirche spendet im Sakrament der Firmung den Heiligen Geist. Nicht nur in der hl. Taufe sondern auch in der Firmung wird der Gläubige gestärkt und unterstützt in seiner Sehnsucht nach Gott, in seiner spirituellen Beziehung .
Durch den Leib der Frauengestalt sah die Seherin Kinder Gottes hindurchziehen, die in großer Herrlichkeit aufleuchteten, Menschen mit hellen Augen und starken Füßen. Andere hatten kranke Augen und schwache Füße, sie gingen mit einem Stock. Die Kirche als Raum der Sehnsucht und Beziehung und Offenbarung Gottes ruft den Menschen wie eine Posaune zu : Mensch, lass dich reinigen in der Wiedergeburt zum Heile und salben mit der Salbung der Heiligkeit, fliehe den Tod, folge dem Leben! Fürchte den Vater, liebe den Sohn und glühe im Heiligen Geist!“ ( WW S. 144 )
Dieser Ruf wird der Kirche von mir, dem Vater durch den Sohn im Heiligen Geist eingegeben.
Die Gläubigen sollen das volle heile Leben in Gott finden, deshalb nährt der Sohn Gottes die Menschen mit sich selbst im Brot des Lebens.
Hildegard wurde in der Vision vom Ursprung der Kirche gezeigt, wie Gott selbst die Gläubigen mit sich in den Gestalten von Brot und Wein beschenkt.
„Als Jesus Christus, der wahre Sohn Gottes, an seinem Marterholz hing, wurde die Kirche in der Verborgenheit der himmlischen Geheimnisse mit ihm verbunden und mit seinem purpurnen Blut als Brautgabe beschenkt. Darauf deutet sie selbst hin, wenn sie häufig an den Altar tritt, ihre Brautgabe einfordert und sehr sorgfältig beobachtet, mit wie tiefer Ehrfurcht ihre Söhne zu den göttlichen Geheimnissen hinzutreten und sie empfangen.“ (WW S. 200 )
Hildegard sah die Kirche als goldene (in Licht getauchte )Frauengestalt öfter zum Altar hinzutreten, mit Ehrfurcht auf ihre Brautgabe blicken und sie demütig dem himmlischen Vater zeigen. Das geschieht jedes Mal, wenn der Priester mit heiligen Gewändern angetan, zum Altar tritt, um die hl. Geheimnisse, um Eucharistie, zu feiern. Hildegard schaute „wie plötzlich ein sehr heller Lichtglanz unter dem Geleit von Engeln aus dem Himmel kam und den Altar ganz umstrahlte. Er blieb solange auf ihm, bis nach Vollendung des Messopfers der Priester den Altar verließ. ………….Nachdem der Priester den Lobpreis des allmächtigen Gottes, d.h. sanctus, sanctus, sanctus Dominus Deus Sabaoth, sang, senkte sich plötzlich aus dem offenen Himmel ein feuriges Leuchten von unvorstellbarer Helligkeit auf diese Opfergaben herab, und übergoss sie ganz mit seinem Schein. Und während er sie so durchstrahlte, hob er sie unsichtbar zu den Geheimnissen des Himmels empor und senkte sie wieder auf den Altar zurück, wie ein Mensch die Atemluft einzieht und wieder ausatmet. So waren sie wahres Fleisch und wahres Blut geworden, obwohl sie in den Augen der Menschen als Brot und Wein erschienen.“ (WW S. 199 )….
Dann hörte Hildegard aus dem verschlossenen Himmel die Aufforderung: „Esst und trinkt den Leib und das Blut meines Sohnes zur Tilgung der Sünde Evas, damit ihr in euer rechtmäßiges Erbe eingesetzt werdet.“ ( WW S. 199 ) „Esst im Glauben, die ihr durch die Taufe meine Freunde geworden seid. (WW S. 213 ) Esst meinen Leib, denn ihr müsst meine Werke im Geist und in eurem Fleisch nachahmen. Der Heilige Geist gibt sie euren Herzen ein.
Wer das Fleisch meines Sohnes würdig empfängt, wird an Seele und Leib mit himmlischem Licht überflutet und im Glauben von den Makeln seiner inneren Unlauterkeit gereinigt. (WW S. 217 )
In der Vision des Opfers Christi mit der Kirche als Braut Christi und der Feier der Eucharistie mit der Kirche als Priesterin, die ihre Hochzeitsgabe empfängt und an die Gläubigen austeilt, leuchtet die Kirche als Ort gelebter Spiritualität in der dichtesten Form auf. Die goldene Gestalt der Ekklesia, der Kirche, in der Rupertsberger Miniatur verbindet die Passion Christi mit der als Hochzeitsfest gesehenen Eucharistie. Sie empfängt das Blut Christi in ihrem Kelch und erhebt ihre Augen und Hände in einer priesterlichen Geste zum Himmel, indem sie die Eucharistie darbietet, die ihre Mitgift und ihr Hochzeitsmahl ist.
Hier ist die Kirche in der Eucharistiefeier der transparente Ort für die Gottesbegegnung und Gotteserfahrung der Menschen.
3. Die Kirche als Ort gelebter Spiritualität im Gebet und im Zeugnis
In der Geschichte zeigt sich die Kirche als geistiger Raum, als Leib Christi, in der Haltung des Gebetes, der Orante, die alle Stände der Kirche in sich trägt. Hildegard schaute die erwähnte Frauengestalt in einem durchsichtigen Glanz in der 5. Vision. In der Brust schimmerte sie wie Morgenröte. Dort leuchtete eine schöne Mädchengestalt mit einer gewaltigen Schar von Menschen auf, leuchtender als die Sonne, Maria mit den jungfräulichen Menschen, die Töchter Zions . Bei ihnen ist „alle Art von Musik und die Stimme des ganzen Frohlockens und die Freude der Freuden.“ (WW S. 151 ) Hier wird die gelebte Gottesbeziehung als tiefe Freude mit Maria und den Heiligen erfahren. Die Kirche lehrt uns, Beziehungen zur Muttergottes und zu den Heiligen zu pflegen als Hilfe für unsere Gottverbundenheit. Ist doch Beten eine Beziehungspflege.
In dieser Vision zeigt sich auch das Böse, das gegen die Kirche angeht. „Unterhalb des Glanzes, dort wo er wie die Morgenröte schimmerte, sah Hildegard zwischen Himmel und Erde dichteste Finsternis heraufziehen, die so grauenhaft war, dass es eine menschliche Zunge nicht auszudrücken vermag. Und sie hörte eine Stimme vom Himmel sagen: „Wenn der Sohn Gottes nicht am Kreuz gelitten hätte, würde jene Finsternis es keineswegs zulassen, dass der Mensch zur himmlischen Herrlichkeit gelangt.“ ( WW S. 151 )
Dieses Böse wird am Ende der Zeiten in die Kirche eindringen.
„Die Frauengestalt, die die Seherin am Altar, d.h. vor den Augen Gottes gesehen hatte, wird ihr wieder gezeigt, und zwar von der Mitte ihres Leibes abwärts. Verschiedene schuppenartige Flecken weisen dort auf den erbarmungswürdigen Zustand der Kirche hin; sie muss viele Laster wie Unzucht, Mord, Raub erdulden von denjenigen , die sie lieben sollten. An der Stelle des weiblichen Erkennens erschien ein abscheulicher pechschwarzer Kopf mit feurigen Augen und Eselsohren und mit Nüstern und einem Maul, wie ein Löwe sie hat. Er knirschte mit weit aufgerissenem Maul, als ob er seine entsetzlich eisernen Zähne schrecklich wetzte.“ ( WW S. 486 ) Es ist der Sohn des Verderbens, der Antichrist, der die Gläubigen und kirchlichen Institutionen zerfleischt und den Menschen durch schlimmste Leidenschaften und Widersprüche dazu bringt, Gott zu leugnen. Die Kirche wird in ihren Kindern das Weiß des wahren Glaubens bewahren, sie wird ein Ort des Zeugnisses für den dreifaltigen Gott sein unter großen Drangsalen und Leiden. Wenn der Sohn des Verderbens in seiner widersetzlichen Lehre trügerisch bestärkt, Selbstvertrauen und Kraft gewonnen hat, wird auch die Kirche im Martyrium sein, von den Knien bis zu den Knöcheln ist sie blutig. Im Lebenszeugnis des Sterbens für Christus ist die Kirche in ihren Gläubigen in der Zeit des Antichristen Ort gelebter Spiritualität.
Die erwähnte Frauengestalt wird noch in all ihren Gliedern erschüttert, wenn der Sohn des Verderbens sich mit großem Getöse von seiner Stelle, aus dem Unterleib der Kirche löst, und versuchen wird zur Himmelshöhe aufzusteigen. Ein Donnerschlag zerschmettert plötzlich den Kopf des Antichristen Als die Dabeistehenden den höllischen Gestank und Nebel sehen, erfüllt sie ein großer Schrecken, sie rufen: „O allmächtiger Gott, erbarme dich unser! Lasst uns eilends zurückkehren zum Bund des Evangeliums Christi, denn ach, wir sind bitter getäuscht worden!“ (WW S. 487 )
Und die Füße der erwähnten Frauengestalt erscheinen glänzend weiß und leuchten heller als der Glanz der Sonne, wenn die Irrenden zum Weg der Wahrheit zurückkehren.
Am Ende der Zeiten wird die Kirche für alle aufstrahlen als Ort und Beheimatung der Menschen in Gott. Gelebte Spiritualität ist am Ziel der Sehnsucht, Gott im Menschen durch Jesus Christus und der Mensch in Gott. Die Kirche ist in Christus gleichsam das Sakrament durch die Zeiten, sie ist Zeichen und Weg für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit.
„Den Engeln bist du beigesellt und wohnst bei den Heiligen, komm in den Königspalast!“
Die Menschen leben in den Freuden der ewigen Schau..
Benutzte Literatur
Hildegard von Bingen, Wisse die Wege, Liber Scivias
Neuübersetzt von Mechthild Heieck, Beuroner Kunstverlag 2010
Hildegard von Bingen, Lieder
Herausgegeben v. Pudentia Barth, OSB, M. Immaculata Ritscher OSB, Joseph Schmidt-Görg,
Otto Müller Verlag Salzburg, 1969
Unterscheidungsmerkmale der Hildegard- Heilkunde zur wissenschaftlichen Medizin und der Naturheilkunde sowie der TCM
von Dr.med. Michael Ptok
Die Heilkunde der Hl. Hildegard von Bingen wird oft aus dem Verständnis und Blickwinkel der wissenschaftlichen Medizin oder der allgemeinen Naturheilkunde und Klostermedizin bzw. der fernöstlichen Heilweisen einschließlich der Traditionell Chinesischen Medizin TCM betrachtet. Diese Vorgehensweise wird der Hl. Hildegard aus zwei Gründen nicht gerecht. Zum einen betont die Äbtissin an drei Stellen ihrer theologischen Werke (s. Vorwort) deutlich, dass es sich auch bei den heilkundlichen Werken um Visionen handelt, die somit völlig einmalig und von besonderer „Entstehung“ sind. Zum anderen kann allein an ihren Beschreibungen der Pflanzen und Bäume zu den Qualitäten „warm“ oder „kalt“ ein gravierender Unterschied zu den anderen bekannten Heilweisen dargestellt werden. In der „Physica“ gibt die Hl. Hildegard sehr differenzierte Angaben zu den feinstofflichen Qualitäten – Subtilitäten genannt – u.a. der Pflanzen und Bäume und ihre sinnvolle Verwendung als Heilmittel.
In diesem Artikel soll es um eine Übersicht allein der Feinstofflichkeiten in der Unterscheidung von Wärme bzw. Kälte gehen und eine kurze Gegenüberstellung ihrer Heilprinzipien zu anderen traditionellen und wissenschaftlichen Heilverfahren.
In der wissenschaftlichen Medizin ist das Anti- also Gegen-Prinzip bestens bekannt. Antibiotika werden gegen Bakterien eingesetzt, Antimykotica gegen Pilzerkrankungen, Antihormone in der Tumorbehandlung, Antiarrythmica gegen Herzrhythmusstörungen. Diese Aufstellung ließe sich leicht erweitern.
In traditionellen Heilverfahren kennen wir dementsprechend die Anwendung von kühlenden Maßnahmen bei Erkrankungen, die mit Wärme und Hitze einhergehen. Das klassische Beispiel dafür ist der kühlende Wadenwickel mit lauwarmen Umschlägen, der auch heute noch bei Fieber sehr sinnvoll sein kann, wenn keine Kreislaufschwäche mit kalten Extremitäten vorliegt. Bei entgegengesetzten Beschwerden gilt: Wärmezufuhr lindert Kältekrankheiten oder Kältesymptome. So ist eine Wärmflasche oder ein heißer Tee bei einem Infekt mit großer Frierneigung angenehm und anzuraten. …
Dieses Prinzip ist so nicht auf die Hildegard- Heilkunde übertragbar. Die Äbtissin beschreibt die Heilmittel viel differenzierter und erweitert damit das Spektrum der Wirkweisen. Zu den faszinierenden Aspekten ihrer Aussagen gehören die zunächst paradox erscheinenden Anwendungen von
Wärme gegen Wärme
und
Kälte gegen Kälte.
Letzteres ist in der Volksmedizin z. B. bekannt in der Einreibung von gefrorenen Händen mit Schnee.
Eine weitere wichtige Unterscheidung trifft Hildegard, wenn sie schreibt:
Gute Wärme oder auch gute Kälte
Das bedeutet, kalt oder warm allein ist für sie nicht das einzige Qualitätskriterium, denn sie kennt auch eine
schädliche Wärme oder eine schädliche Kälte.
Zudem benennt sie Heilmittel, die gleichzeitig
Wärme und Kälte enthalten….
Zusammenfassend erschließt sich daraus:
Die einfache Zuordnung „warm gegen kalt“ und „kalt gegen warm“ wird den Beschreibungen Hildegard von Bingens nicht gerecht. Einschränkungen und „Verbote“ von Pflanzen oder Früchten mit guter Wärme sind für Menschen mit warmer Grundstruktur nicht gerechtfertigt.
So kann daher der Dinkel, der selber warm ist, sowohl von Menschen mit warmem als auch kaltem Naturell empfohlen werden.
Erst die exakten schriftlichen Angaben der Heiligen weisen den rechten Weg.
Im Folgenden werden die zehn unterschiedlichen Behandlungsmöglichkeiten anhand von hildegardischen Beispielen erläutert:
1.Wärme gegen Kälte
Dieses alleinige Gegensatz-Prinzip gibt es erstaunlicherweise bei Hildegard im Wesentlichen nicht. Die wichtigsten Heilmittel dieser Gruppe sind zugleich bei Wärme-Krankheiten wirksam und werden daher unter Punkt 5 besprochen.
2. Kälte gegen Wärme
Tormentill: 1-160
„Die Tormentill ist kalt, und diese Kälte ist gut und gesund (R1-454) und sie wirkt gegen Fieber, die von schädlichen Speisen kommen.“
…
3.Wärme gegen Wärme
Kümmel: 1-17
„Der Kümmel ist von gemäßigter Wärme und trocken.(R1-048) Für den Gesunden ist er jedoch gut zu essen, weil er ihm einen guten Verstand bereitet und jenem milde Wärme einbringt, der zu warm ist.“
…
Zitrone: 3-18
„Der Zitronenbaum, nämlich der, an dem die große Zitrone wächst, ist mehr warm als kalt…(R3-108) Und ein Mensch, der tägliches Fieber hat, koche die Blätter dieses Baumes in Wein, und er seihe diesen Wein durch ein Tuch, und er trinke es oft, und er wird geheilt werden. (R3-109) Aber wenn auch die Früchte dieses Baumes gegessen werden, unterdrücken sie das Fieber im Menschen.“
…
Galgant: 1-13
„Der Galgant ist ganz warm und hat keine Kälte in sich und ist heilkräftig.
(R1-024) Ein Mensch, der ein hitziges Fieber in sich hat, pulverisiere Galgant und trinke dieses Pulver in Quellwasser, und er wird das hitzige Fieber löschen.“
4. Kälte gegen Kälte
…
5. Wärme sowohl gegen Kälte als auch Wärme
Raute : 1-64
„Die Raute hat gemischte Wärme in sich, aber doch mehr Wärme…
(R1-178) Denn die Wärme der Raute vermindert die unrechte Wärme der Melancholie und mäßigt die unrechte Kälte der Melancholie.“
…
Fortsetzung im nächsten Heft.
Die Gundelrebe
Die Gundelrebe, auch Gundermann, Petersilie der Soldaten, Erdelfen genannt, finden wir vom frühen Frühjahr -an kleinen violetten Blüten erkennbar- bis in den Dezember hinein.
Als Ranke am Boden oder auch aufgerichtet ist sie an Wald- und Parkrändern, Hecken, Wiesen und vor allem in unseren Gärten als Kulturnachfolgepflanze vertreten und stellt ihre Blätter als Küchengrün mit viel Vitamin C und einem besonderem Aroma bereit. Je nach Standort sind diese klein und hellgrün oder auch sehr groß und dunkel. Hildegard empfiehlt uns die Gundelrebe in den Kapiteln 1-105 und 1-212.
„Die Gundelrebe ist warm und trocken, und sie hat gewisse Kräfte der Gewürze, weil ihre Grünkraft angenehm und nützlich ist, so dass ein Mensch, der lange kraftlos ist und dem das Fleisch schwindet, mit Gundelrebe gewärmtes Wasser trinken soll , und er esse sie oft gekocht in einer Beikost oder Fleischspeisen oder mit Törtchen,… weil ihr guter Saft innerlich heilt…“
Die Blätter lassen sich klein geschnitten verarbeiten zu Mehlspeisen, Eintopf, Gemüse, Teigtaschen, Soßen, Nachtisch aller Art, zu allem Gebackenem oder phantasievoll als Dekorierung verwenden.
Rezension des Buches „Mit Seele, Leib & Sinnen“ von Hildegard Strickerschmidt, erschienen September 2012 im Benno-Verlag zum Preis von 9,95 Euro
Bereits das Cover des Buches mit seinen frischen grün-blau-weißen Farbtönen gibt den Blick frei in eine ewige Landschaft mit einem ausladenden Laubbaum, einem blühenden Feld und dem leuchtenden Stern. Das handliche Format mit seiner berührungsfreundlichen Oberfläche macht es zu einem Buch, das man ständig griffbereit im Handgepäck bei sich haben kann. Die 1-2 seitigen Textabschnitte ermöglichen es, auch kurze Lesephasen zu nutzen und Inspirationen für sich herauszuziehen.
Inhaltlich ist es ein Buch, das längst überfällig ist, da man zu dem Grundthema der Tugenden und Laster nach Hildegard von Bingen (HvB) wenig Sekundärliteratur auf dem Büchermarkt findet. Es bietet uns die Möglichkeit, uns in unserem menschlichen Dasein neu zu entdecken und zu reflektieren, und ist eine Quelle sowohl für Sinnsuchende als auch zur allgemeinen Bewußtseinserweiterung. Der Weg führt über die innere Freiheit zur geistigen Sättigung. Dabei kommen nicht nur die geistigen Gefahren zur Sprache, sondern es vermittelt Hoffnung für Seele, Leib und Sinne. Anschauliche Beispiele aus dem heutigen Leben machen die schwierigen Urtexte zugänglicher und ermöglichen dem Leser einen unvoreingenommenen Blick auf die verdeckten Motive seines Handelns. Selbst bei Lastern, welche den Menschen scheinbar im Griff haben, ist die Situation nicht aussichtslos.
Die Tugenden und Laster nach HvB werden in 17 von insgesamt 35 Gegensatzpaaren aufgeführt und in 2er oder 3er Gruppen zusammengefaßt. Dabei werden Originaltexte nach Hildegard von Bingen zitiert und in unser heutiges Sprachverständnis übersetzt. Die einzelnen Kapitel werfen die damit verbundenen Lebensfragen auf und beantworten sie im Geist Hildegards.
Es ist ein Buch, das den Leser tief berührt und fasziniert. Man darf gespannt sein, wie sich das Gelesene im Leben verwirklicht. Und die Fortsetzung läßt hoffentlich nicht lange auf sich warten.
Hannelore Kjer, Ernährungs- und Gesundheitsberater und Fastenleiterin nach Hildegard von Bingen, Sonthofen-Altstädten.