Die ganzheitliche Heilkunde Hildegards von Bingen

In den Schriften der Hl. Hildegard von Bingen begegnen wir einer ganzheitlichen Heilkunde, die sich einerseits in die sog. komplementären Heilverfahren einreiht, andrerseits aber weit darüber hinaus geht. Sie ist vergleichbar mit den traditionellen Heilweisen anderer Kulturen, die mit der Behandlung von körperlichen Symptomen auch spirituell-religiöse, kosmische, seelische und soziale Aspekte einbeziehen.

Für Hildegard als christliche Mystikerin steht immer der ganze Mensch im Mittelpunkt, der heil werden und sein Heil finden soll. Körperliche Beschwerden gehen oft Hand in Hand mit innerlichen Belastungen und Konflikten, weil sich die Seele im Leib ausdrückt.

Hildegard beschreibt, dass sich Negativ-Gefühle oder -Gedanken in verschiedenen Organen als funktionelle Schwächen, Störungen oder später als Krankheiten auswirken können. Dabei haben sich sowohl die Heilkräfte aus der Natur hilfreich erwiesen als auch eine Reflexion eigenen Verhaltens und die konkrete Bitte um die Hilfe Gottes sowie der himmlischen Mächte.

Die Hildegard Heilkunde beinhaltet eine gesunde Lebensführung, die den Bogen über eine individuell stimmige Ernährung, Verwendung von natürlichen Heilmitteln, Ausleitung über Blutreinigung als Mini-Aderlass, Fasten, Bäder, Wickel, Auflagen, Moxen und Schröpfen bis zur Lebenskraft der Freude zieht. Zur Lebensführung zählt auch die geordnete seelische Gestimmtheit, welche die Basis bildet für die innere Balance und Harmonie.

So kann jeder selbstverantwortlich Gesundheit, Wohlbefinden, körperliche und seelische Abwehrkraft – Resilienz – fördern. Darüber hinaus sagt Hildegard:

„Der Mensch baue seinen Leib als ein wohnliches Haus, damit die Seele gern darin wohnt.“
Nach den mystischen Erkenntnissen der Hl. Hildegard vermittelt der christliche Glaube durch Zuversicht und Gott-Vertrauen eine therapeutische Dimension.

Das ursprüngliche naturheilkundlich medizinische Werk Hildegards hieß „Liber subtilitatum diversarum naturarum creaturarum“, übersetzt „Das Buch über die feinstofflichen Eigenschafen der verschiedenen Naturen der Geschöpfe“. Diese Handschrift ist bis jetzt nicht auffindbar. Überliefert ist die Aufteilung in zwei Werke, die bereits 1233, gut 60 Jahre nach Hildegards Tod, beim ersten Bestreben, Hildegard als Heilige anzuerkennen, im Protocollum canonisationis erwähnt sind:

„Liber simplicis medicinae“ – das Buch der einfachen Medizin, in der aktuellen Übersetzung der Leithandschrift aus Florenz mit dem Titel „Die Heilkraft der Natur – Physica“, und „Liber compositae medicinae“ – das Buch der zusammengesetzten Medizin, heute mit dem Titel „Heilwissen” – causae et curae“.

Hildegard beschreibt darin die inneren Kräfte und Qualitäten der verschiedenen Naturen, z.B. in Pflanzen, Tieren und Steinen sowie die Wesensfeinheiten der Geschöpfe, die sie nach eigenen Angaben durch ihre besondere Begabung der „inneren Schau“ erkennen und empfinden konnte. Bei sicher anzunehmender Kenntnis der zeitgenössischen und antiken Medizin schuf sie ein völlig eigenständiges medizinisches Werk, da sie „aus den tradierten Indikationen nur einige wenige, allerdings sinnvolle Anwendungsbereiche herausgreift und sich bei zahlreichen Drogenbeschreibungen keine Entsprechungen im mittelalterlichen oder antiken Schrifttum angeben lassen.“ (Prof. Dr. Irmgard Müller, Medizinhistorikerin).

 

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