Zeitschrift Nr. 105, JUNI 2008

In der Nummer 105 unserer Zeitschrift finden sich u.a. folgende Themen:

 

  • Vorwort
    Die Spiritualität in der Heilkunde der hl. Hildegard – Wie die Seele die Organe beeinflusst
    Das Gottesbild der Hl. Hildegard v. Bingen
    Die Bäume als Heilmittel
    Freudige Erfahrungsberichte mit Hildegard-Heilmitteln bei Zahnschmerzen
    Bericht über den Fastenleiterkurs im März 2008

Vorwort

Liebe Hildegard-Freunde,

die Diskussion um die Hildegard-Heilkunde wird pro und contra mit verschiedensten Argumenten geführt. Sie als Mitglieder der Internationalen Gesellschaft Hildegard von Bingen werden sicher immer wieder damit konfrontiert und fragen sich, wie Sie sich fit machen können für solche Gespräche…

… scheint mir aber wichtig zu sein, die eigene Überzeugung auf tragfähige Füße zu stellen, das heißt, sich zu informieren; zum einen, um selbst sicherer zu werden und zum anderen, um Rede und Antwort stehen zu können.

So konnten wir für unsere Hildegard-Tagung vom 22. – 24. August 2008 in Bingen
mit Prof. Dr. med., Dr. phil., Dr. hc. Gundolf Keil, Medizinhistoriker aus Würzburg, einen sehr kompetenten Referenten gewinnen, der uns fundierte Informationen zur Originalität der Heilkunde Hildegards vermitteln kann.

Wir haben aber auch weitere wichtige Themen im Programm:

  •  Die Heiligkeit Hildegards, welche immer wieder angezweifelt wird. Es mutet etwas eigenartig an, wenn heutzutage, in der die Heiligen kaum mehr eine Rolle spielen, regelmäßig die Frage nach der Heiligkeit von Hildegard von Bingen gestellt wird.
  •  Die Aktualität Hildegards in Form von positiver Verbreitung als auch in Form von Missbrauch und Verzerrung. Bei einer Umfrage des SWR war Hildegard von Bingen eine der zehn bedeutendsten Rheinland-Pfälzern, war die einzige Frau und belegte vor Kardinal Lehrmann den vierten Platz.
  •  Die Faszination, welche die hl. Hildegard heute auf viele Menschen ausübt. Sie zeigt sich auf allen Gebieten und schlägt sich in der schier unüberschaubaren Flut von Büchern nieder.
  •  Die Ergebnisse praktischer Anwendung im medizinischen Bereich. Es sind keine Scharlatane, sondern professionell ausgebildete Ärzte und Heilpraktiker, die über ihre Erfahrungen mit der Hildegard-Heilkunde berichten.

Das ausführliche Programm finden Sie in diesem Heft und auf unserer homepage: www.hildegard-gesellschaft.org unter „Veranstaltungen“.

Mit diesem Programm bleiben wir der Zielsetzung unserer Gesellschaft treu, nämlich die Botschaften Hildegards dem Menschen unserer Zeit nahe zu bringen. Wir hoffen, dass Sie zahlreich zu unserer Tagung kommen.

Mit freundlichen Grüßen

Hildegard Strickerschmidt
Präsidentin


Die Spiritualität in der Heilkunde der hl. Hildegard – Wie die Seele die Organe beeinflusst

Auszug aus dem Vortrag von Hildegard Strickerschmidt bei der Hildegard-Regionaltagung in Emmerich-Elten am 1. September 2007, 2. Teil

Im letzten Heft wurde eine grundlegende Einführung in die Zusammenhänge zwischen Seele und Leib gegeben, wobei die Erkenntnisse der hl. Hildegard verglichen wurden mit den Forschungsergebnissen der modernen Gehirnforschung.

In ihrem medizinischen Werk causae et curae – Ursachen und Behandlung der Krankheiten, und in ihrem Liber divinorum operum – Buch der göttlichen Werke, (s. Literaturhinweis am Ende des Artikels)  beschreibt Hildegard sehr differenziert die vielfältigen Ursachen von Krankheiten. Ihre umfassende Sichtweise nötigt den modernen Menschen zu einem grundsätzlichen Umdenken, das alle gewohnten Denkmodelle beiseite lassen muss. Nicht isoliert betrachtete Prozesse in einzelnen Organen, die durch Viren oder Bakterien ausgelöst werden und sich in messbaren Werten feststellen lassen, sind die Grundlage der hildegardischen Heilkunde und Heilslehre, sondern der ganze Mensch als Person. Sie fragt, wer dieser Mensch ist und wo er seinen Standort in dieser Welt hat, denn er steht in Beziehung zum Ganzen und ist Gott gegenüber verantwortlich. Sie fragt nach den Gründen für die Schwäche und Anfälligkeit, für die Fragwürdigkeit und die Endlichkeit unseres Daseins. Und sie gibt von daher Antworten für die Möglichkeiten von Heilung und Heil…

Die Körpersäfte

Ein zentraler Begriff in der kosmischen Psychosomatik Hildegards sind die Körpersäfte, wie sie ähnlich (aber nicht gleich!) in der antiken Säftelehre beschrieben sind… Einen möglichen Zugang finden wir in der sogenannten „Ganzheitsmedizin“, die Mitte des 20. Jahrhunderts von einigen bedeutenden Wissenschaftlern, allen voran Prof. Dr. Alfred Pischinger in Wien, entwickelt wurde. (Die folgenden Informationen zu diesem Thema wurden der Hildegard-Zeitschrift 75/2000, Vortrag von Dr. Felix Berger, entnommen.) Das von ihm so genannte „Grundsystem“ gilt als die Grundlage der heutigen Regulationsmedizin…

Die Säfte bei Hildegard von Bingen

Diese Sichtweise wird in der Schau Hildegards noch wesentlich erweitert…

Das Wort „Phlegma“ wird von Hildegard von Bingen häufig verwendet. Es bedeutet seinem Sinn nach „Rückstand“, Ablagerung (z. B. Harnsäure) oder die dadurch bedingte Entzündung.
„Dass manche Menschen an verschiedenen Krankheiten leiden, kommt von dem Phlegma, das in ihnen im Überfluss vorhanden ist.. Wäre nämlich der Mensch im Paradies geblieben, würde er die Phlegmen, von denen viele Leiden kommen, nicht in seinem Körper haben, sondern sein Fleisch wäre gesund und ohne Schleim (livor)…”

Der Mensch kann nicht mehr das Paradies bewohnen, sondern muss sich ständig mit Schwierigkeiten verschiedenster Art auseinandersetzen… Der Mensch kann sich nicht herauslösen aus der Abhängigkeit von den kosmischen Vorgängen. Er ist immer instabil und anfällig. Je besser er diese Situation annehmen kann, desto geordneter werden seine Körpersäfte.

Die Körpersäfte und die einzelnen Organe

Bei der Beschreibung der einzelnen Organe knüpfen wir an die Ausführungen von Herr Dr. Ptok an, der in den letzten beiden Heften die Ursachen von Lebererkrankungen nach Hildegard von Bingen und ihre Behandlung auf der medizinischen Ebene besprochen hat. Wir führen die Gedankengänge anhand von Hildegard-Zitaten weiter auf der psychosomatischen Ebene. Die folgenden Texte sind, falls nicht anders vermerkt, dem Buch der göttlichen Werke, 1. Buch, vierte Schauung entnommen.

Die Leber
…Am Beispiel der Leber wird beschrieben, wie die Säfte durch die Vorgänge in der Natur verändert werden, wie sie aber auch durch das Wissen der Seele beeinflusst werden…
„Die Leber braucht die Freude wie die Blume den Sonnenschein…“
Lang anhaltende Traurigkeit schädigt die Leber; sie wird porös wie ein Schwamm…

Um die Leber angesichts so vieler Belastungen zu stärken, gibt es bei Hildegard verschiedene natürliche Heilmittel, die im letzten Heft genannt wurden…
… Die ungeordneten Säfte können Brust und Leber „überschwemmen“. Deshalb steigen viele widersprüchliche Gedanken auf und lassen den Menschen an sich selber zweifeln.

Beziehung von Leber und Gehör
Ungewohnt und für uns oftmals verwirrend ist die Beschreibung der gegenseitigen Beeinflussung von Organen und seelischen Reaktionen, da wir gewohnt sind, jeweils nur das erkrankte Organ einzeln für sich zu sehen und zu behandeln…
„Durch das Hören des Ohres wird das Innere des Menschen erschüttert“

Lunge
Ein weiterer Weg der aufgewühlten Säfte – bei Hildegard „Phlegmen“ genannt – führt zur Lunge…
… Wieder sind die Ohren die Schleuse, von der aus die Säfte aufgewühlt werden. Sie sind ein Sinnesorgan, das unentwegt den Reizen der Umwelt ausgesetzt ist…

Herz
… „Diese Vorgänge verwirren auch das Herz derart, dass der Mensch nicht die so notwendige Ruhe des Herzens bekommen kann, so dass er auf dem geraden Weg hin und her schwankt…“
… Nach dem Aufruhr in Leber, Gehör und Lunge beginnt das Herz zu schmerzen, außerdem kann eine Brustfellentzündung auftreten…

Gehirn und Magen
… „Und dann steigen dieselben Säfte zum Gehirn auf, stecken es an, vergiften es, steigen zum Magen hinunter, erzeugen Fieber in ihm, und so wird jener Mensch für lange krank gemacht…
 
Hildegard beschreibt noch viele Zusammenhänge mit anderen Organen wie Nieren, Milz, Eingeweide, Sexualorgane, Haut, Waden, was aber einer späteren Bearbeitung überlassen werden muss.

Zusammenfassung
In diesen beiden kurzen Artikeln wurde an einigen Texten Hildegards aufgezeigt, welche bisher unbekannten psycho-somatischen Erkenntnisse in Hildegards Heilkunde enthalten sind… Der Vergleich mit den Ergebnissen der modernen Gehirnforschung und den Erkenntnissen der Ganzheitsmedizin zeigt in evidenter Weise, wie deutlich Hildegard von Bingen in ihrer seherischen Begabung diese Zusammenhänge geschaut hat.

Literatur:
Hildegard von Bingen, Das Buch vom Wirken Gottes – Liber divinorum operum, übersetzt von Mechthild Heieck, Pattloch Verlag, Weltbild Verlag Augsburg 1998

Hildegard von Bingen, Ursachen und Behandlung der Krankheiten (causae et curae), Basler Hildegard Gesellschaft, CH – 4010 Basel, übersetzt von Dr. Hugo Schulz


Das Gottesbild der hl. Hildegard v. Bingen

Aus dem Vortrag von Sr. Maria Ellinger auf der Jahrestagung in Einsiedeln am 22. September 2007 werden geistliche Impulse mit Zitaten der heiligen Hildegard veröffentlicht, die den verschiedensten Stellen ihrer Werke entnommen sind. Sie im einzelnen zu nennen, würde den Rahmen sprengen. Wer aber daran interessiert ist, kann bei der Redaktion nachfragen
2. Teil

Die Heiligkeit und die Herrlichkeit Gottes

Hildegard sieht ein Licht von so gewaltiger Größe, dass es einem großen und hohen Berg gleicht, von dem es sich wie in vielen Zungen teilt. Die Heiligkeit des Vaters leuchtet durch das ewige Wort auf. Im Sohn Gottes ist die Fülle der Heiligkeit… Wie bei allen Mystikern finden wir bei Hildegard ein tiefes Staunen. Worüber staunt sie? Sie staunt über Gott, seine Schöpfung und das Wunder allen Lebens, die Weisheit und die Liebe, die in jedem Geschöpf erkennbar ist. Gott ist das Leben, oder „der allem Lebendigen das Leben verleiht“…
Hildegard scheint aber gespürt zu haben, dass der Begriff Leben schon abgegriffen und blass wirkt; deswegen gebraucht sie an dessen Stelle auch „viriditas“- „Grünkraft, Lebenskraft“, denn ‚Leben‘ steht für sie geradezu für ‚Heil…  

Die „Furcht des Herrn“
… Das Charakteristische bei der Beschreibung der Furcht Gottes durch Hildegard ist also die Tatsache, dass sie diese Haltung in großer Nähe zu Glaube, Liebe und Verehrung Gottes sieht…
 
„Gottes Gerechtigkeit“
… Es ist schwer, die vielen Aspekte der Gerechtigkeit bei Hildegard zusammenzufassen…
 „Gott ist gerecht und deswegen hat er alles, was er im Himmel und auf der Erde gemacht hat, in gerechter Anordnung geordnet.“  
  … „Die ganze Gerechtigkeit ist in Gott und alles Gute und Rechte geht von ihm in die Menschen und in alle Kreaturen über.“…

Fortsetzung im nächsten Heft.

Die Bäume als Heilmittel

aus dem Pflanzenbereich sind in der Physica der hl. Hildegard nicht so zahlreich wie die Pflanzen und werden dementsprechend auch weniger beachtet. Und doch finden sich zahlreiche Hinweise auf Heilwirkungen. Am bekanntesten ist der Kastanienbaum, der auch schon in dieser Zeitschrift besprochen wurde, da sehr viele Teile an ihm heilkräftig sind. (Siehe Zeitschrift Nr.98/September 2006)

Die Quitte bei Hildegard von Bingen – cydonia oblonga
Klaus Strickerschmidt

Der Quittenbaum ist ein spätblühender Baum, etwa im Mai-Juni. Die Quitte ist heute vielen Menschen nicht mehr bekannt, vermutlich, weil die harte Frucht schwer zu bearbeiten und roh nahezu ungenießbar ist. Sie hat aber ein vorzügliches Aroma und schmeckt gekocht oder gebraten hervorragend…

Vom Quittenbaum, Physica, Cap.3-4
Die Quitte ist bei Hildegard ein Mittel gegen Gicht…
Gegen zu starken Speichelfluss…
Gegen Geschwüre und Übelriechendes…
Allgemein gilt heute die Quitte als gesund… Sie kann zu Quittenmus, Quittenmarmelade oder Quittengelee verarbeitet werden.

Rezepte:
Quitenschnitte eingelegt (von Emmi Erni)…
Quittenbrot (von Petra Grünhaupt)…

Die Kornelkirsche (Dirlitze) – Cornus mas
Klaus Strickerschmidt
Gerade, wenn der Winter sich verabschiedet, die Sonne zaghaft ihre ersten wärmenden Strahlen durch die Wolken schickt, und wenn noch nichts grünt, dann schmückt sich die Kornelkirsche, der Hamamelis nicht ganz unähnlich, mit ihrer üppigen Blütenpracht…
Die Kornelkirsche finden wir bei Hildegard von Bingen in der Physica, Cap. 3 – 40…
Wer an Gicht (rheumatische Beschwerden) leidet…
Zur Frucht sagt sie: „Die Frucht schadet dem Menschen nicht, wenn man sie isst, aber sie reinigt und stärkt den kranken und auch den gesunden Magen, sie nützt dem Menschen für die Gesundheit.“…

Folgende ergänzende Hinweise schickt uns Frau Dr. Maria Streicher-Stoll, Kressbronn/Bodensee.
Das Rezept zur Bereitung des Bades kann auch selbst angewendet werden…
Die Frucht kann roh oder gekocht gegessen werden… Man kann Kornelkirschen – Marmelade kaufen, sie ist aber sehr teuer, weil die Herstellung schwierig ist…
Rezept:…

Kornelkirschen-Gelee zeichnet sich durch einen frischen, säuerlichen Geschmack aus.
Rezept:…
Verwendung: Als Brotaufstrich, Beigabe und Süßungsmittel in Natur-Joghurt, Quark- und Sahnemischungen für feine Desserts. Durch ihren leicht säuerlichen Geschmack ist sie sehr erfrischend.


Freudige Erfahrungsberichte mit Hildegard-Heilmitteln bei Zahnschmerzen

Auszug

Erster Bericht
Eine Bekannte ist in Frankreich in Urlaub, bricht den Urlaub ab, weil sie starkes Zahnweh bekommt… Den Notzahnarzt will sie nicht aufsuchen, so kommt sie zu mir.
Da ich immer das Herba Verbenae concis = Eisenkraut geschnitten,
                     und Herba Absinthii concis = Wermutkraut geschnitten
zu Hause habe, gab ich ihr die beiden Kräuter mit folgendem Rezept nach Hildegard von Bingen:…

Zweiter Bericht
Ich hatte auch ein gutes Echo mit einem anderen Hildegard Zahnweh-Rezept…Salatkerbelwein: …                                                                     

Dritter Bericht
Die kalte, frische Wasseranwendung:
„Wer gesunde, kräftige Zähne haben will, soll am Morgen, wenn er aus dem Bett steigt, reines, kaltes Wasser in den Mund nehmen und so eine Weile in seinem Mund lassen, damit der schleimige Belag an seinen Zähnen aufweicht…

Vierter Bericht
Natürlich sage ich allen Interessierten von der guten Rebaschenlauge…

Salmknochenpulver   =  Ossa Salmonis pulv.(aus der Fischhandlung)
Diese Anwendung will ich, da wir nun am Bodensee leben, ausprobieren. Vielleicht macht jemand mit.

Aus Physica, Cap.5 –5: „Wenn bei einem Menschen das Zahnfleisch verfault – eitert – und die Zähne schwach und krank sind (locker werden), der mache die Knochen vom Salmfisch ( Salmo salar, atlantischer Lachs) zu Pulver, füge etwas geglühtes (Stein-) Salz bei und streiche dieses – gesalzene – Pulver nachts um die  Zähne, damit es den Speichel zieht und ausfließen lässt. Das reinigt das Zahnfleisch und heilt es.“
In der Praxis von Dr. Hertzka wurde dieses Rezept sehr erfolgreich mit den Gräten des Bodenseelachses angewandt. Das Pulvern von Fischknochen ist nicht jedermann Sache und wird am besten von einem Labor besorgt. Der Speichel, den das Pulver zieht, soll ausfließen und soll nicht ausgespuckt werden.
Die Wirkung auf die Zähne selbst – nicht nur auf das Zahnfleisch – ist bei diesem Mittel stärker als beim Salat-Kerbelwein.

Lucia Rauh HP,Salem

Bericht über den Fastenleiterkurs im März 2008

Mit Freude darf ich über den Fastenleiterkurs im Kloster Jakobsberg berichten. Auf oftmalige Anfragen hin veranstaltete Hildegard Strickerschmidt wieder ein Fastenleiterseminar, an dem 16 Personen aus den verschiedensten Berufsgruppen teilnahmen. Wir fasteten von Montag bis Donnerstag nach den Richtlinien eines gemäßigten Dinkel-Fastens wie es von Hildegard Strickerschmidt zusammengestellt, von Klaus Peper unterstützt, eine angenehme und für den Körper schonende Fastenform darstellt.

Wenn viele Menschen „Fasten“ hören, so denken sie als erstes nur an einen Nahrungsentzug um abzunehmen oder den Darm zu sanieren. Bei Hildegard von Bingen steht jedoch der Mensch in seinen drei Seinsebenen von Geist, Seele und Körper mit der Rückbesinnung auf Gott im Mittelpunkt allen Heils, es ist die Basis des Lebens. Um heil zu werden „soll man an der Seele anfangen.“

Das gemäßigte Fasten ist für dieses Heilwerden sehr wertvoll. Durch die reduzierte und sehr einfache Kost kann der Mensch sein rechtes Maß in seiner Lebensführung finden. Wer mit seiner Lebenskraft nicht Maß halten kann, dem werden die Sinne stumpf und die innere Lebendigkeit geht mehr und mehr verloren.
Der Mensch soll sich aber auch vor zu strengem Fasten hüten, denn das Fasten soll zur Freude des Menschen dienen und Hildegard warnt in einem Briefwechsel an eine Äbtissin vor Kasteiung. Sie schreibt: „Trockener Sand ist zu nichts nütze und die Erde gibt keine Frucht, wenn sie durch den Pflug zu stark zerbröckelt wird. Aus dürrem Felsboden sprießen nur Dornen und lauter unnützes Kraut. Genau so richtet unvernünftige Enthaltsamkeit das Fleisch eines Menschen zugrunde, weil ihm nicht die Grünkraft einer rechten Ernährung vergönnt wird. Davon dörrt der Mensch aus. Zu strenge Enthaltsamkeit entzieht auch dem Tugendleben die Grünkraft (Lebenskraft) und nur ein windiger nichtsnutziger Ruf wächst auf, als seien solche Leute heilig und sind es doch gar nicht…“ Aus diesem wundervollen Text geht klar hervor, wie Mäßigkeit zu Lebenskraft und Gesundheit führen kann.

Verlauf des Seminars:

  • Am Morgen aktivierten wir unseren Stoffwechsel durch gymnastische Übungen, selbstverständlich in frischer Luft, um genügend Sauerstoff aufzunehmen und richtig wach zu werden.
  • Anschließend  fand eine Morgenandacht in einer Kapelle statt. Jeden Tag in Gottes Hände zu legen und alles Tun auf seinen Willen auszurichten, ist eine wahre Kraftquelle.
  • Zum bewusst, teils schweigend eingenommenen Frühstück gab es Fencheltee und Dinkelkaffee, eine Scheibe Dinkelbrot und, damit die Verdauung gut funktioniert, reichlich Flohsamen.
  • Am Vormittag durften wir von den vielen Erfahrungen unserer Fastenleiterin schöpfen.
  • Zu Mittag gab es eine Dinkelschrotsuppe mit etwas Gemüse (Fenchel, Sellerie und Karotten) und Gewürzen wie Salz, Galgant, Bertram, Kubebenpfeffer, Quendel und etwas Petersilie.
  • Anschließend genossen wir einen Leberwickel und danach einen Spaziergang, bevor am Nachmittag wieder Theorie im Programm stand.
  • Am Nachmittag tranken wir Fencheltee mit Honig, Zimt und Flohsamen, abends gab es eine Dinkelgrießsuppe mit Gemüse und Gewürzen, eine Scheibe Dinkelbrot und  auch Apfelsaft.
  • Im Anschluss wurden wieder Hinweise zur Leitung einer Fastengruppe besprochen sowie die geistig-spirituelle Begründung und Durchführung des Fastens bei Hildegard von Bingen.

Zur Herz- und Kreislaufstärkung nahmen wir fleißig Petersilienhonigwein und Fenchel-Galganttabletten. Wichtig ist beim Fasten auch ausreichend Ruhe und Schlaf.
Am letzten Abend wurde mit einem Bratapfel das Fasten gebrochen. Obwohl es alle Tage dieselbe Suppe gab, schmeckte sie am letzten Tag immer noch vorzüglich.
Dieses Fastenseminar bot die Möglichkeit, eine gute Fastenleitung und gleichzeitig die Art des Fastens kennen zu lernen und die Wirkung an Seele und Leib selbst zu spüren.

Ich bin dankbar, dieses gemäßigte Dinkelfasten nach der hl. Hildegard kennen gelernt zu haben. Während des Fastens fühlte ich mich sehr wohl, nur die vermehrt spürbare Kälteempfindlichkeit stieg aufgrund der Stoffwechselumstellung des Körpers. Die Haut in meinem Gesicht reinigte sich und ein andauerndes seelisch – körperliches Wohlbefinden stellte sich ein. Bei meinen früheren Fastenversuchen mit strengem Fasten konnte ich dieses Wohlbefinden während des Fastens nicht empfinden und ich ging an die Grenze meiner Kräfte. Somit kann ich dieses Fasten jedermann empfehlen, da das gesundheitliche Risiko bei dieser Art des Fastens sehr gering  ist. Fasten ist gerade heute in unserer Wohlstandszeit sehr wertvoll, um zu einem bescheidenen und gesunden Lebensrhythmus zu finden, der uns zu wahren Gotteskindern heranwachsen lässt.

Viel Freude beim Fasten wünscht Helga Maria Miedl, Oberwölz/Österreich

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